Der Bereich zwischen Südkreuz und Tempelhofer Feld entlang der S-Bahn-Trasse besteht derzeit aus aufgelassenen Gewerbestandorten, Bahnanlagen, Kleingärten, Randflächen des ehemaligen Flughafens und Restflächen um den Bahnhof Südkreuz. Die Stadtautobahn A 10 und der S-Bahn-Ring dominieren die stadträumliche Situation. Der Entwurf zeigt, wie man diese Quartiere durch eine Neuinterpretation lokal überkommener städtebaulicher Muster weiterentwickeln kann und grenzt sich deutlich gegen die Gartenstadt Neu-Tempelhof („Fliegersiedlung“) ab. Entlang der Ringbahn wirkt die Bebauung als harte Stadtkante; zur Fliegersiedlung nimmt der Bebauungsvorschlag in Teilbereichen die Proportionen des bestehenden Wohnungsbaus auf. Die Bebauung entlang der Bahntrasse durchmischt Wohnen, Arbeiten und Versorgung. Die ergänzende Bebauung südlich des Flughafengebäudes nimmt, wie auch das Gebäude selbst, Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen auf. Eine Gruppe von drei Hochhäusern markiert das Zentrum und bildet gleichsam ein Tor nach Süden.
TEILRAUM 2: BERNAU
Nordwestlich und südöstlich des Bahnhofs Bernau bieten sich ausgedehnte Flächen für städtebauliche Planungen an. Zwei südwestlich in den Landschaftsraum hineinwirkende Konversionsflächen entlang der Bahnstrecke bestehen aus infrastrukturell erschlossenen Siedlungen, die mit unterschiedlichen Nutzungen eine neue Phase der Stadtentwicklung initiieren sollen. Die Nähe des Autobahndreiecks von A 10 und A 11 sowie der Vorteil günstiger S-Bahn-, Regionalbahn- und Fernbahnanschlüsse legen die Stadterweiterung an diesem Ort nahe. Das Konzept sieht hier im Kontrast zu den bestehenden Quartieren eine sehr hohe Verdichtung vor. Im Bereich des Bahnhofs wurden Blockstrukturen entwickelt, die die Bahntrasse umschließen und sich nach Norden und Süden hin öffnen. Nach Nordosten wird die Konversionsfläche mit einer Reihe von u-förmigen Gebäuden gesäumt, die eine großräumige Ergänzung zum Panke-Park ausbilden. Mit den ergänzenden Funktionen im südwestlich gelegenen Areal sollen Tourismus und Freizeit verstärkt werden.
TEILRAUM 3: SCHWEDT AN DER ODER
Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte ehemalige Residenzstadt Schwedt an der Oder liegt am nordöstlichen Rand der Landesentwicklungsplanung. Von einem Bahnanschluss an die bestehende Verbindung Berlin-Stettin würde die Stadt Schwedt stark profitieren. Das Entwurfskonzept sieht vor, diese Anbindung herzustellen und das Bahnhofsareal von Schwedt städtebaulich mit neuen zentralen Funktionen zu fassen. Eine Bebauung der Lücken und Restflächen in der Stadt im Sinne der kritischen Rekonstruktion ermöglicht Konstellationen zur Wiedererlebbarkeit des historischen Stadtgrundrisses. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die Landschaft des unteren Odertals mit ihren Naturschutzgebieten und dem Nationalpark. Das Heranführen der städtischen Bebauung an die Flusslandschaft würde nicht nur das Areal um die Uckermärkischen Bühnen, den Standort des 1962 gesprengten Residenzschlosses, stärken, sondern eine Aufwertung der gesamten Stadt bedeuten.
Erläuterungen der Verfasser
|| ZUSAMMENWACHSEN – LANDSCHAF(F)TSTADT || Berlin und Brandenburg wachsen zusammen Ein zukünftiges Gesamtkonzept für die Metropolenregion Berlin-Brandenburg setzt nicht nur gemeinsame politische Prozesse voraus, sondern vor allem eine gesamtheitliche städtebaulich-landschaftsplanerische Idee. Diese Idee basiert auf der Geschichte und auf den existierenden Potenzialen und Charakteristika der Berlin-Brandenburgischen Stadt- und Kulturlandschaft. Berlin-Brandenburger Städte wachsen nach innen. In Berlin gibt es große Potenziale für das Innenwachstum, für Verdichtung und räumliche Optimierung, von Baulücken über Brachen bis zur Transformation der Infrastrukturen. Zugleich muss der heute grüne Charakter der Stadt bewahrt bleiben. Dieser verkörpert ein einmaliges Erbe der Stadtentwicklung und wird zukünftig verstärkt für den klimatischen Ausgleich verantwortlich sein. Die Brandenburger Städte besitzen ebenso erhebliches Potenzial zum Wachstum innerhalb ihrer Grenzen. Dieses Innenwachstum kann die speziellen Charaktere der Brandenburger Stadttypen bewahren und verstärken. Zukünftige Mobilität wird durch Schienenverkehr geschaffen. Vor dem Hintergrund der Klima- und Energiewende stellt der Ausbau des Straßen- und Autobahnnetzes keine befriedigende Lösung dar. Dagegen eröffnen die Schienenverkehre eine nachhaltigere Perspektive, die durch die digitale Wende vorangetrieben wird. Konsequent wird sich das zukünftige Stadtwachstum an den alten und neuen Bahnlinien orientieren.
Berlin-Brandenburg und Europa. Durch die globale Verkehrswende und die Verstärkung der Schienen- und Wasserverkehre gewinnt Berlin-Brandenburg als Knotenpunkt diverser Kultur- und Handelskorridore im deutschen und europäischen Kontext an Bedeutung. Entsprechend wird das Schienen- und Wasserverkehrsnetz der Region Berlin-Brandenburg konsequent optimiert. Wachstum folgt den Radialen und verbindet die Städte. Die urbanen Erweiterungsgebiete folgen den sternförmigen Bahnradialen zwischen den geschützten Landschafts- und Kulturlandschaftsräumen. Sie verbinden so die zerstreuten Siedlungsansätze zu kompakteren Stadtstrukturen. Damit werden Flächen für die Ansiedlung von 1 Million neuen Einwohnern gewonnen, ohne die Charaktere der Stadtstrukturen radikal zu verändern – all dies im Einklang mit den großzügigen Landschaftsräumen.
Landschaft kommt in die Städte. Die von Wäldern, Seen und Agrarflächen geprägte Landschaft außerhalb Berlins stellt ein einzigartiges Zukunftspotenzial für die klimatische und ökologische Regeneration der Region dar. Den räumlichen Zusammenhang dieser Flächen zu stärken und deren Einbindung in den wachsenden, sich verdichtenden Stadtkörper zu verbessern, ist ein zentrales Motiv unseres Konzepts. So werden Naturgebiete respektive naturnahe Ge-biete mit entsprechender Infrastruktur und subtilen Wegeführungen für den Aufenthalt im Freien ertüchtigt. Kulturlandschaften verstärken die Wahrnehmung und das Verständnis der Region als Einheit und befördern in der Bevölkerung die Identifikation mit der Landschaft. So wird auch das gegenseitige Verständnis von Land- und Stadtbewohnern wachsen. Die radialen Wachstumsstränge ergänzen sich entlang der Schienen mit den zusammengefügten Räumen der Kulturlandschaft. Sie verstärken den Berliner Siedlungsstern zu einem komplementären Gefüge sich ergänzender Qualitäten: Stadt, Kulturlandschaft und Agrarlandschaft.
Der 3. Ring verbindet die Radialen. Den „Hundekopf” und den 2. Ring ergänzen wir durch einen neuen 3. Ring, um die Verbindung zwischen den Städten im Umland Berlins zu beschleunigen und so Umwege durch Berlin zu vermeiden. We-gen der Dichte und Nähe vieler Städte im Norden, Osten und Süden vernetzt der 3. Ring diese Orte und verbindet sich westlich von Potsdam mit dem 2. Ring. Dieser Kurzschluss optimiert die innere Dynamik der beiden Ringe, im Ergebnis wird der „Hundekopf” zum geometrischen Zentrum des Berliner Ringmodells. Durch den 3. Ring wird die Mobilität im Berliner Umland wesentlich erhöht und die Abhängigkeit der Städte von Berlin reduziert. Der 3. Ring wird in Phasen realisiert, hierfür bietet sich der Start im Nordost-Raum an, da hier die größte Wertschöpfung erwartet wird, synchronisiert mit dem Wachstum der brandenburgischen Zentren. Durch Anbindung an die Radialen wird schon bei einer phasenweisen Realisierung die angestrebte Netzoptimierung wirksam. Städtische Zentren an den Kreuzungen der Ringe und Radialen. Wie bereits am „Hundekopf“ entstehen an den Kreuzungen von Radialen und Ringen urbane Zentren aus gewerblichen Nutzungen, sozialen Infrastrukturen und Wohnungen, die von der optimalen Mobilität profitieren. Entlang des 3. Rings verstärken sich für die Wachstumszentren Brandenburgs die Möglichkeiten, sich unabhängig von Berlin zu entwickeln und miteinander zu verbinden.
100 % Stadt 100 % Landschaft. Der Westen Berlins war lange eine Großstadt ohne Hinterland. Freiraum war ein knappes Gut, das geschützt wurde. Die Insellage erzeugte Extreme: hohe städtische Dichte hier, Leere und Landschaft jenseits des Grenzzauns. Im Osten Berlins entstanden – aus dem sozialistischen Städtebau heraus – an vielen Stellen ähnliche Raumkonstellationen. Heute haben Berlin und Brandenburg deshalb eine einzigartige Beziehung, die eine der Schlüsselqualitäten der Region ist. Sie ist nicht geprägt von einer endlosen suburbanen Zone. Hier treffen Extreme aufeinander, die es so am Rand keiner anderen Metropole gibt: 100 % Stadt hier – hohe Dichte, städtisches Flair und vom Menschen dominierte Räume – und 100 % Landschaft dort – geringe Dichte und ländliche Naturräume. Unser Vorschlag: Unbewusst und ungeplant hat sich die Welteninsel eine Entwicklungsstrategie von 100 % Stadt, 100 % Landschaft geschaffen, die zukünftigen Herausforderungen von Klimawandel über Energiewende bis hin zum Erhalt von natürlichen Lebensräumen in idealer Weise gerecht werden kann. Sie sollte nicht nur am Rand der einzelnen Siedlungs- kerne genutzt werden, sondern auch an den inneren Peripherien. Große freie Flächen sollten frei bleiben: Parks, Brachen, ungenutzte Industrie- und Bahngelände. Berlin und die Städte und Dörfer um Berlin können sich nach innen verdichten – Platz ist vorhanden, man muss ihn nur effizient nutzen.
Der 3. Ring als Hochbahn. Zur Schonung von Kulturlandschaft, Landwirtschaft und Tierwelt wird der 3. Ring als Hochbahn konzipiert. Damit werden auch Kreuzungen mit Straßen, Autobahnen und Flüssen vereinfacht. Eine leichte Bautechnologie befördert das harmonische Verhältnis zu Natur und Landwirtschaft. Die erhöhte Sicht aus dem Zug schenkt dem Reisenden ein Landschaftserlebnis, die Bahnhöfe in den Städten werden zu attraktiven Orten. Drei exemplarische Orte. Für die Konkretisierung der Gesamtplanung haben wir drei Orte ausgewählt, die jeweils mit den Themen Mobilität, Stadtgeschichte, Wachstum und Landschaftsraum umzugehen haben. Zwei der Orte (Tempelhof-Südkreuz und Bernau) befinden sich an der Kreuzung von Radia-len und Ringen, der dritte Ort (Schwedt) ist entlang einer Radialen gelegen. Am Beispiel dieser Orte zeigen wir die Besonderheiten der Region Berlin-Brandenburg: städtische Charaktere mit widersprüchlichen Geschichten, mit Industrie und Gewerbe, mit Naturgebieten vielfältiger Art, mit guter Bahnvernetzung und Potenzialen zum Wachstum. Tempelhof-Südkreuz: Der Ort war auch früher ein exzeptioneller Ort, nicht bebaut und geprägt durch Bahnen, Wiesen, Kasernen und Übungsgelände. Heute stellen die benachbarten Kreuzungen von 1. Ring und Bahnradiale (Südkreuz) sowie von B 96, U-Bahn und Autobahnring (Tempelhof) ein einzigartiges Potenzial für eine städtebauliche Entwicklung dar. Zusätzliche Bedeutung erhält das Tempelhofer Feld als Erholungsraum und Kaltluftentstehungsgebiet für die Innenstadt. Wegen der optimierten überregionalen Erschließung bietet sich der Tempelhofer Damm für neue große Kulturprojekte in Berlin-Brandenburg an, für eine neue Landesbibliothek und für Hochschul- und Wissenschaftsstandorte im Ex-Flughafen. Die Flächen entlang der Bahn werden für gemischt genutzte Quartiere gewonnen. Die Kreuzung B 96 / U-Bahn / Stadtautobahn bietet einen idealen Ort für ein regionales Zentrum mit drei markanten Hochhäusern. Die Bahntrasse wird von einer Fahrradstrecke begleitet, die eine schnelle Verbindung zwischen Bahnhof und Flugfeld schafft. Der Autobahnring bietet sich idealtypisch für eine zukünftige Fahrradnutzung an. In der Summe wird Tempelhof-Südkreuz aus seiner stadträumlichen Isolation befreit und eine wichtige Aufgabe im Berliner Stadtgefüge erfüllen. Bernau bei Berlin: Bernau ist ein exemplarischer Fall für eine brandenburgische Stadt mit vielschichtiger Baugeschichte. Die Struktur der mittelalterlichen Mauer- und Wallanlage prägt Bernau bis heute. Die sozialistische Modernisierung ab 1975 hat die Substanz des Stadtkerns geschwächt, aber nicht ausgelöscht. Die Bahnstrecke führt von Berlin nach Nordosten, Richtung Stettin und Ostsee. Die beiden Militäranlagen zeugen von der Bedeutung der Bahnverbindungen für die Stadt. Mit dem Bau des 3. Rings und der Kreuzung mit der Nord-Süd-Radiale entsteht in Bernau ein Knotenpunkt von höchster Mobilität, der die Entwicklung eines Bahnhofsquartiers neben der Altstadt ermöglicht. Die Revitalisierung der beiden Militärkomplexe bietet Raum für Wohnungen und überregionale Forschungseinrichtungen. Die Renaturierung der Panke und der Panke-Park in unmittelbarer Nachbarschaft schaffen naturnahe Lebensbedingungen mit optimalen Verbindungen in die Region. Für den Regionaltourismus bietet der Barnim, von Bernau startend, einen optimalen Ausgangspunkt nicht nur für Bike-Touristen. Schwedt an der Oder: In Schwedt treffen drei Stadtmodelle aufeinander: die mittelalterliche Stadt (ab 1265), das barocke Residenzschloss (von 1685) mit seiner prächtigen Gartenachse zum Lustschloss Mon Plaisir und die sozialistische Idealstadt (Selmanagic 1960, Paulick 1962) für die Arbeiter in der Petroindustrie. In diesem Kontext wurde 1962 das Schloss gesprengt und durch den Kulturpalast ersetzt. Alle drei Stadtmodelle sind heute in einem fragmentarischen Zustand. Jenseits der Oder befindet sich der Oderpolder mit einer der wichtigen Oderbrücken. Mit der Bahn ist Schwedt über Angermünde an die Radiale Berlin-Stettin-Ostsee angebunden. Diese Verbindung wollen wir optimieren, so dass diese Radiale als Schnellbahn von Berlin nach Stettin zukünftig über Schwedt und dann entlang der Oder zur Ostsee führt. Städtebaulich bietet sich in Schwedt die Chance, Mobilität, Stadtgeschichte und Naturraum zu einem komplementären Neben- und Miteinander zu verschmelzen. Die Stadtmodelle werden reaktiviert: durch Stadtreparatur in der Altstadt, durch Aufbau des Schlossvolumens neben dem Theater, durch Belebung der grünen Achse und der Parkanlage Mon Plaisir und schließlich durch die bauliche Vollendung des Zentrums im sozialistischen Stadtmodell für wissenschaftliche und touristische Einrichtungen. Die neue Bedeutung des Bahnhofs führt zu einer städtebaulichen Verdichtung und besseren Anbindung, zugleich werden ehemalige Plattenbaugebiete renaturiert und das Schwemmland wird von Bebauung freigehalten. Durch diese Interventionen und den wachsenden regionalen Tourismus entlang der Oder, mit neuem Hafen, Oder-Stadtbad und Nationalpark, eröffnen sich für Schwedt beste Aussichten – an der Bahnstrecke zwischen Ostsee und Berlin gelegen.