Jordi & Keller Architekten / Pellnitz Architektur und Städtebau Standort: Berlin www.jordi-keller.de www.pellnitz.de Team: M. Eng. Yannick Langer, Dipl.-Ing. Nandor Kovac, Frederic Jordi Landschaftsplanung: Christina Kautz Landschaftsarchitektur Fachplanung weiterer Disziplinen: Ludwig Krause (Verkehrs- und Stadtplaner)
TEILRAUM 1: „BRANDENBURG AN DER HAVEL
Mit dem geplanten Ausbau des 3. und 4. Eisenbahnrings im Metropolenraum ist eine Nachverdichtung von Brandenburg an der Havel um die doppelte Einwohnerzahl vorstellbar. Ziel der Planung ist eine Stadtentwicklung, die unter Berücksichtigung der historischen Identitäten eine engere Durchdringung von Stadt und Natur befördert. Zwischen Neustadt und Bahnhof wird der bauliche Bestand mit der Schließung von Blöcken strukturell ertüchtigt. Dabei bleiben die baulichen Anlagen innerhalb der Blöcke weitgehend erhalten. Potenzielle Entwicklungsflächen werden im Südwesten des Bahnhofs und im Westen der Altstadt bis an die Bahnlinie geführt. Auch südlich des Bahnhofs, entlang des Jakobsgrabens, wird die vorhandene offene Bauweise durch straßenständige Bebauung verdichtet. Die erweiterte Blockstruktur trägt zu einer deutlichen Harmonisierung der Stadtstruktur aus der Vogelperspektive bei.
TEILRAUM 2: „WESTKREUZ“
Das Aufeinandertreffen der Verkehrssysteme mit ihren Richtungswechseln erzeugt beim derzeitigen Verkehrsaufkommen, speziell zu Stoßzeiten, erhebliche Staus und Überlastungen der baulichen Anlagen. Die AVUS, die erste reine Autostraße der Welt und ehemals bedeutende Autorennstrecke, wird in diesem Konzept als Boulevard ausgebildet. Der Autoverkehr wird unterirdisch geführt, der Bahnverkehr oberirdisch. Die Gleisanlagen werden zu einer Grünanlage umgestaltet, die den nahen Lietzenseepark mit dem Grunewald verbindet. Die Nordkurve nimmt ein neues Fußballstadion auf. Die städtebaulichen Ergänzungen folgen der Charlottenburger Blockstruktur. Das dominierende Element soll ein Tor aus zwei Hochhäusern mit einer Höhe von bis zu 200 Metern sein, das auch an den drei anderen Bahnhöfen entstehen soll.
TEILRAUM 3: BERLIN-MITTE
Nur wenige Entwurfsverfasser haben ihren Blick auf Berlin-Mitte gelenkt. Das Zentrum ist der historischen Mitte um 1920 angenähert. Teile der angrenzenden Königsstadt werden ebenfalls mit dem Stadtgrundriss von 1920 ergänzt. Die Stralauer Vorstadt wird straßenbegleitend mit großformatigen Wohnungsbauten verdichtet. Die Entwurfsabsicht unterstützt die Vorstellung von einer Stärkung der historischen Mitte mit einem – in der aktuellen Planung nicht vorgesehenen und fachlich umstrittenen – rekonstruierten Stadtgrundriss und zusätzlichen Kultureinrichtungen. Der vorhandene Wohnungsbau soll eine „Koalition“ mit dem rekonstruierten Stadtgrundriss eingehen. Die Idee von Peter Joseph Lenné, „Schmuck- und Grenzzüge“ in die Stadt zu integrieren, wird wieder aufgegriffen. So sieht der Entwurf vor, dass das Engelbecken in Kreuzberg über den Strausberger Platz bis zum Volkspark Friedrichshain weitergeführt wird. Der Wasserlauf soll beidseitig als Grünraum mit Alleen und Aufenthaltsflächen ausgestaltet werden.
Erläuterungen der Verfasser
STERNARCHIPEL BERLIN-BRANDENBURG 2070 – STÄDTEBAULICHES ENTWICKLUNGSKONZEPT Berlin-Brandenburg ist aus verschiedenen Dörfern und Städten entstanden. Diese Entwicklung hat zu einem Archipel von Zentren innerhalb und außer-halb Berlins geführt, die durch sternförmig ausgehende Radialen und Bahnringe miteinander verbunden sind. Innerhalb des „Hundekopfes“ ist die Struktur durch Grüninseln im dichten, großstädtischen Häusermeer, außerhalb durch Siedlungsinseln in Grün- und Naturräumen geprägt. Zwischen den Strahlen der sternförmigen Entwicklung Berlins ragen die großen Landschaftsräume bis weit in die Mitte der Metropolregion hinein. Dieser Sternarchipel mit seiner Dialektik von Bebauung und Natur stellt eine der stärksten Qualitäten und eines der größten Potenziale der Metropolregion Berlin-Brandenburg dar, die es zu festigen und weiterzuentwickeln gilt. Neue Bau- und Wohnflächen sollen vor allem innerhalb dieser Struktur als Konversion, Verdichtung und Qualifizierung von bestehenden Siedlungsflächen entstehen. Das aktuelle Leitbild eines Siedlungssterns für die Metropolregion Berlin-Brandenburg wird mit dem hier vorgeschlagenen Leitbild des Sternarchipels erweitert und differenziert. Der Begriff des Siedlungssterns und auch seine Visualisierung im Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg evozieren eine uneingeschränkte Verdichtung innerhalb des Siedlungssterns und berücksichtigen damit nicht seine vielfältige Durchdringung mit Naturräumen. Der Begriff des Sternarchipels, der sowohl an das Konzept von Berlin als „grünem Archipel“ als auch an Ideen des Groß-Berlin-Wettbewerbs von 1910 an-knüpft, will diese dialektische Durchdringung von Stadt und Natur als neues Leitbild vorschlagen.
DEZENTRALISIERUNGSZIEL –––– Dem Dezentralisierungsziel der Bundesregierung zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse vor allem im strukturschwächeren ländlichen Raum folgend geht das städtebauliche Entwicklungskonzept langfristig von einer Stärkung der vorhandenen Städte Brandenburgs – auch zur Entlastung Berlins – aus. Nach Flächenschätzungen kann mit den hier vorgeschlagenen Maßnahmen bis um das Doppelte an Einwohnern in die Metropolenregion aufgenommen werden, ohne einen Qualitätsverlust der Freiräume zu erleben und nur mit minimaler zusätzlicher Bodenversiegelung.
BAHNRINGE –––– Im Raum Berlin-Brandenburg werden neben dem „Hunde-kopf“ und dem Berliner Außenring zwei weitere Bahnringe angelegt, die vorhandene Zentren an den von Berlin ausgehenden Bahnradialen miteinander verbinden, stärken und eine Entlastung des Durchgangsverkehrs durch Berlin ermöglichen. Der 3. Ring wird zu großen Teilen auf vorhandenen Bahngleisen oder direkt am Berliner Autobahnring entlanggeführt und verbindet Orte wie Oranienburg, Bernau, Strausberg, Königs Wusterhausen, Beelitz und Nauen miteinander. Der 4. Ring verbindet die Städte der sogenannten zweiten Reihe wie Brandenburg an der Havel, Frankfurt an der Oder und Cottbus. Beide Ringe bieten auch die Möglichkeit, neue Standorte für Industrie, Verwaltung und Gewerbe (aktuell zum Beispiel Tesla) mit den nächsten Orten am jeweiligen Ring zu verknüpfen. Dadurch erhalten diese Orte sowohl eine Nähe zu den Neuansiedlungen als auch zu Berlin.
EILRAUM BRANDENBURG AN DER HAVEL –––– Die Stärkung der Städte der sogenannten zweiten Reihe wie Brandenburg an der Havel, Frankfurt an der Oder oder Cottbus ist einer der zentralen Punkte des strategischen Entwicklungskonzepts. Die großen Qualitäten dieser Städte – ihre Einbettung in die Landschaft, ihre historischen Stadtkerne und die gute Erreichbarkeit der Großstadt Berlin – prädestinieren sie für eine Rolle als wichtige Oberzentren in der Region. Es gilt die Geschichte dieser Städte zu berücksichtigen und die enge Verbindung und Durchdringung von Stadt und Natur weiterzuentwickeln. Exemplarisch für diese Städte der zweiten Reihe steht Brandenburg an der Havel. Die vorhandenen Strukturen und die landschaftlichen und organischen Elemente der Stadt werden aufgenommen und weitergeführt. Die existieren-de Bebauung mit ihren Blockstrukturen wird weiter verdichtet und bis an den Stadtrand geführt, so dass hier klare Kanten zum umgebenden Landschaftsraum entstehen. Dabei werden einerseits die organischen Formen der Stadt, die sich im historischen Zentrum finden, andererseits typische Elemente der industriellen Entwicklung wie Hochsilos in Form von neuen Hochpunkten thematisiert. Zugleich durchdringen die Naturräume jedoch auch die Stadt, so dass sich Stadt und Natur auf vielfältige Weise wieder verbinden.
TEILRAUM WESTKREUZ –––– Beispielhaft für die Grundideen des Gesamtplans steht die Planung für den Bereich um das Westkreuz: die Verdichtung innerhalb der Siedlungsgrenzen, die Überbauung und Konversion von Verkehrs- und Restflächen und die Stärkung der Kreuzungspunkte von Bahnringen und Bahnradialen. Der S-Bahnhof Westkreuz wird zum Regionalbahnhof ausgebaut, der wie beim Süd-, Ost- und Nordkreuz (Gesundbrunnen) einen Umstieg von den Regionalbahnen aus dem Umland auf den S-Bahn-Ring ermöglicht. Die Autobahn wird unterirdisch geführt sowie zu Teilen zurückgebaut und somit ihre fatale Barrierewirkung beseitigt. Auf dem großräumigen Areal wird ein dichtes, sozial und funktional gemischtes Stadtquartier geplant und mit den umliegenden Quartieren gut vernetzt. Am Westkreuz werden wie an den anderen drei Bahnkreuzen Süd-, Ost- und Nordkreuz jeweils zwei Hochhäuser von rund 100 bis 200 Meter Höhe als Tore zur Berliner Innenstadt errichtet. Diese Hochhauspaare rahmen die Hochhausgruppen an den zentralen Orten der Berliner Innenstadt. Zu großen Teilen auf den alten Bahngleisen wird ein Park angelegt, der den Grunewald über den Lietzenseepark mit der Ost-West-Achse verbindet. Die Ost-West-Achse wird zu einem grünen Boulevard mit Baumreihen und einer Fahrradschnellstraße in der Mitte ausgebaut
TEILRAUM BERLIN-MITTE –––– Die Metropolregion Berlin-Brandenburg kann nicht ohne ihr Zentrum, die historische Mitte von Berlin, gedacht wer-den. Auch wenn die strategische Entwicklung im vorliegenden Konzept vor allem eine Stärkung der Städte an den Ringen vorsieht, spielt Berlins Zentrum für die gesamte Region eine zentrale Rolle. Die historische Entwicklung Berlins von der kleinen Siedlung über die Königsstadt bis hin zum politischen Zentrum Deutschlands kann nur hier abgelesen werden. Ebenso strahlen die Kultureinrichtungen im Zentrum der Stadt auf die gesamte Metropolregion aus. Für den mittelalterlichen Kern wird vorgeschlagen, die vorhandenen DDR-Bauten mit einer kritischen Rekonstruktion des historischen Stadtgrundrisses in einen Dialog treten zu lassen, um so die lange Geschichte der Stadt Berlin wieder ablesbar zu machen und durch die historischen Adressen wie-der an die einzelnen Geschichten der Häuser erinnern zu können. Östlich des mittelalterlichen Zentrums von Berlin wird Lennés Projekt der „Schmuck- und Grenzzüge“ aufgegriffen: Die Verbindung vom Engelbecken über den Strausberger Platz zum Volkspark Friedrichshain wird zu einem durchgehenden Grünzug ausgebildet und über großstädtische Platzfiguren monumentalisiert.
STRATEGISCHE ÜBERLEGUNGEN ZUM PROZESS –––– Bis heute gibt es keinen gemeinsamen länderübergreifenden öffentlichen Diskurs zur strategischen Entwicklung der Metropolregion Berlin-Brandenburg. Der Wettbewerb Berlin-Brandenburg 2070 bietet mit seinen Plänen und Bildern die große Chance, diese Diskussion anzustoßen und voranzubringen. Die Preisträger des Wettbewerbs sollten in einem mehrjährigen öffentlichen Dialogverfahren in Zusammenarbeit mit der gemeinsamen Landesplanung und im Austausch mit den Bürgern der beiden Länder ein gemeinsames Gesamtkonzept für die langfristige Entwicklung erarbeiten