Raum 9
Ach, die liebe Verwandtschaft
Stadt und Land in Brandenburg
Die Metropole war und ist mehr als Berlin! Bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg begründete der Große Kurfürst die Ausdehnung der neuen Residenz in die Mark Brandenburg. Den Schlössern in Oranienburg und Potsdam folgte bald Charlottenburg. Vor allem aber bauten die preußischen Könige Potsdam aus – eine einzigartige Schlösser- und Parklandschaft im Südwesten Berlins. Während Potsdam historisch als Tochterstadt Berlins gelten darf, bleibt die Mutterstadt Berlins weithin vergessen: die „Chur- und Hauptstadt“ Brandenburg an der Havel, die bis ins 15. Jahrhundert bedeutendste Stadt der Region. Doch die Region hat noch weitere einzigartige Städte zu bieten. Das nähere wie weitere Umfeld Berlins ist voll von aufstrebenden Orten mit historischen Wurzeln, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. All diese Städte und Gemeinden Brandenburgs sind längst Teil der Metropole geworden, ihre Gestaltung prägt unsere gemeinsame Zukunft.
Gustav Böß, Oberbürgermeister 1919–1929
Berlin von heute.
Stadtverwaltung und Wirtschaft.
Berlin 1929
Mutterstadt Berlins:
Brandenburg an der Havel
Brandenburg an der Havel ist nicht irgendeine Stadt westlich von Berlin. Sie ist die älteste Stadt der ehemaligen Mark Brandenburg, die Hauptstadt der Mark bis ins späte Mittelalter hinein. Sie ist die Mutterstadt Berlins und die Großmutterstadt der Residenz Potsdam. Rechtlich handelte es sich um drei zu unterscheidende Siedlungsbereiche: die Altstadt, die Neustadt und die Dominsel. Drei großartige Kirchen und andere mittelalterliche Großbauten zeugen von der Bedeutung dieser Stadt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde Brandenburg zur Industriestadt. Während der Weimarer Republik war Brandenburg ein Zentrum des Neuen Bauens. Die zur Zeit der deutschen Vereinigung stark verfallene Altstadt ist inzwischen durch eine erfolgreiche Stadterneuerung wieder zu einem Schmuckstück geworden. Heute ist Brandenburg an der Havel eine Perle im Städtekranz, dem zweiten Ring der Metropole.
Tochterstadt Berlins:
Potsdam
Potsdam gilt als Gesamtkunstwerk, als Paradies, als Arkadien des Nordens. Es ist aber auch ein Werk der Hohenzollern, eine Residenz- und Garnisonstadt, eine multikulturelle Stadt. Eine junge Stadt, die erst im 17. Jahrhundert Bedeutung erhielt. Kaum eine andere deutsche Stadt wurde so stark durch herrschaftliche Eingriffe geprägt wie Potsdam. Die Funktion als Residenz der Hohenzollern verlor die Stadt 1918, die Funktion als Garnisonstadt 1994. Was zeichnet die Landeshauptstadt heute aus? Sie bietet ein städtebauliches Ensemble unterschiedlicher Schichten von internationaler Bedeutung, ein Weltkulturerbe aus Schlössern und Gärten, aber auch eine Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsstadt, die die Metropole außerordentlich bereichert.
Wissensstadt Potsdam
Schon im späten 19. Jahrhundert wurde auf dem Telegrafenberg Potsdams Ruf als Wissenschaftsstandort begründet. Nach der Wiedervereinigung wurde der Standort weiter ausgebaut – etwa in Golm und in Babelsberg.
Kulturstadt Potsdam
Kunst, Theater, Film, Musik: Potsdam hat sich verstärkt seit der Wiedervereinigung zu einem Kulturstandort entwickelt – mit Einrichtungen von nationaler und internationaler Bedeutung. Und einem besonderen Standort: dem Kulturquartier.
Wohnstadt Potsdam
Potsdam war immer eine besondere Wohnadresse: Neben Einwohnern prägten Soldaten die Garnisonstadt. Potsdam war von Anfang an multikulturell geprägt – mit Quartieren für Menschen unterschiedlicher Herkunft. Nach der Wiedervereinigung wurde das Wohnungsangebot erheblich ausdifferenziert.
Kleine Schwester im Umland:
Hohen Neuendorf
Die Stadt Hohen Neuendorf erstreckt sich zwischen Birkenwerder und Frohnau im Landkreis Oberhavel nördlich von Berlin. Der 1349 erstmals erwähnte Ort geriet Ende des 19. Jahrhunderts nach dem Bau der Nordbahn in den Sog der wachsenden Großstadt. In den ersten Jahren der NS-Zeit wurde der Ort erheblich ausgebaut. In der DDR-Zeit erhielt er einen zusätzlichen Bahnhof am äußeren Eisenbahnring. Nach der Wiedervereinigung wuchs die Einwohnerzahl wieder erheblich. Bemerkenswert ist das besondere Zentrum an der Kreuzung der Ausfallstraße nach Oranienburg mit der Straße zum S-Bahnhof, eine Ansammlung von speziellen Bauwerken: Rathaus, Pagode, Hotel, Shoppingcenter.
Neues Leben für Militärstandorte
Kein anderes Gebiet in Deutschland war im 20. Jahrhundert so stark mit Militärflächen gepflastert wie der Raum Berlin-Brandenburg. Die Konzentration des Militärs begann schon in preußischer Zeit, erreichte in der Kaiserzeit einen ersten Höhepunkt, wurde in der NS-Zeit noch einmal zugespitzt und dann in der DDR-Zeit als Großstandort der sowjetischen Armee weiter genutzt. Etwa 100.000 Hektar Fläche sollen es gewesen sein, die 1994 beim Abzug der russischen Truppen hinterlassen wurden. Potsdam, Wünsdorf, Kummersdorf, Döberitz, Bernau, Beelitz und viele andere Orte in Brandenburg waren riesige Militärstützpunkte. Inzwischen ist ein Großteil davon umgenutzt worden – zu Erholungsgebieten, Technologiezentren, sozialen Infrastrukturen und zunehmend auch zu Wohnzwecken. Von Kasernen zu Wohnstätten!
Ländliche Reize
Brandenburg ist reich an historischen Städten und Militärarealen, umfasst aber – auch im Umland von Berlin – einprägsame ländliche Räume. Wie anderswo auch, aber doch lokal geprägt mit Dörfern, Verkehrsinfrastrukturen, Landwirtschaftsflächen, Erholungsgebieten, Gewerbegebieten, Wasserreservoirs und Windrädern. Stadt und Land sind kein Gegensatz, ebenso wenig wie Brandenburg und Berlin.
Wasserlandschaft, nicht nur zur Erholung
Die Bedeutung des Umlands von Metropolen für den Wasserhaushalt wurde lange Zeit unterschätzt. Mit dem Klimawandel, längeren Trockenperioden und Starkregengüssen
rückt die große Bedeutung des Wassers, auch die Sicherung des Trinkwassers, endlich in das Aufmerksamkeitsspektrum der mitteleuropäischen Öffentlichkeit.