Im Jahr 1920 war die Stadt Berlin nicht einmal ein halbes Jahrhundert Deutschlands Hauptstadt. Sie war alles andere als die unumstrittene Mitte eines großen europäischen Staates wie etwa London und Paris, sie war eher wie Rom und Moskau eine junge Hauptstadt, deren Ruf nicht immer der beste war. Im Groß-Berlin-Gesetz von 1920 gab es keine Bestimmungen, die ihren Status als Hauptstadt der jungen Weimarer Republik eindeutig regelten. Dennoch gestaltete der Gesamtstaat seither die Entwicklung der Metropole entscheidend mit. Heute prägen Bundesprojekte nicht nur die öffentlichen Debatten, sondern zunehmend auch das Bild der Hauptstadt. Staat schafft Stadt, mal zur Freude, mal zum Ärger der Berliner – wie schon seit Jahrhunderten. Neu aber ist, dass die Hauptstadt Berlin im Ausland durchaus beliebt ist, als heiteres und tolerantes Schaufenster eines nicht immer geschätzten Staates. 2021 darf Berlin sich schon wieder erinnern – an 150 schwierige Jahre als deutsche Hauptstadt.
Gustav Böß, Oberbürgermeister 1919–1929 Berlin von heute. Stadtverwaltung und Wirtschaft. Berlin 1929
Standorte für Parlament und Regierung
1920 gab es in Berlin drei stadtprägende Standorte staatlicher Präsenz: das Schloss der Hohenzollern, eigentlich ein preußisches Bauwerk, die Wilhelmstraße als Symbol staatlichen Regierungshandelns und den Königsplatz, Ort des Reichstagsgebäudes, des mächtigsten Bauwerks des deutschen Staates in Berlin. Das Schloss, ein Meisterwerk einer über Jahrhunderte agglomerierten Architektur, hatte im späten 19. Jahrhundert längst die Rolle als alleiniges Zentrum der Herrschaft verloren. Die Wilhelmstraße stieg zum offiziellen Regierungszentrum des neuen Reichs auf, zum Synonym der deutschen Reichsregierung schlechthin. Mit dem Bau des Generalstabsgebäudes von 1867 bis 1871, der „Seele des Heeres“, begann die Ansiedlung von staatlichen Herrschaftsfunktionen im Spreebogen, die mit dem Bau des Reichstagsgebäudes von 1884 bis 1894 ihren Höhepunkt und vorläufigen Abschluss fand.
Spreebogen
Kein anderer Ort vermittelt die wechselvolle Geschichte staatlicher Präsenz in Berlin so eindringlich wie der Spreebogen – Spiegel republikanischer, diktatorischer, alliierter und nun wieder demokratischer Herrschaft in der Stadt.
Wilhelmstraße
Im Kaiserreich bildete sich entlang der Regierungsmeile Wilhelmstraße eine auch von der Öffentlichkeit wahrgenommene Differenzierung in eine westliche „Reichsseite“ und eine östliche „Preußenseite“ heraus. Nach dem Zweiten Weltkrieg war dort – im wichtigsten Gebäude des Staates – der Hauptsitz der DDR-Regierung.
Schlossareal
Das Schloss verlor 1918 mit dem Ende von Krieg und Kaiserreich seine Funktion als Herrschaftssitz. Ab den 1920er Jahren diente es vor allem als Museum. In der DDR-Zeit wurde die Ruine des Schlosses 1950 gesprengt. An seiner Stelle entstand ein Staatsforum der DDR. Heute erlebt das Schloss als Humboldt Forum seine – durchaus umstrittene – Wiederauferstehung.
Geschenkt: Kulturbauten
Der Gesamtstaat hat in seiner Hauptstadt aber nicht nur für sich gebaut, sondern auch die Kultur bereichert. Zu den Geschenken des Bundes gehören heute unter vielen anderen die neue Bauakademie, das Museum für Gestaltung für das Bauhaus-Archiv, das Freiheits- und Einheitsdenkmal, das Humboldt Forum und natürlich das Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum. Nicht immer sind diese Geschenke gern gesehen, oft sind sie umstritten, summa summarum bereichern sie aber die Metropole.