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Ausstellung Raum 5

Parks Plätze Platanen

Grünfrage

IM NAMEN DES VOLKES: 100 PROZENT TEMPELHOFER GRÜN
Als der Flughafen Tempelhof am 30. Oktober 2008 geschlossen wurde, ging eine Ära der Luftfahrt zu Ende, die Groß-Berliner Geschichte geschrieben hat. Allerdings war zunächst unklar, was mit dem riesigen Flugfeld geschehen soll. Überlegungen im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Mitte der 1990er Jahre hatten eine Randbebauung vorgesehen, die im Zentrum Raum für eine großzügige Grünfläche ließ. 2010 wurde das Flughafenfeld als Erholungsraum geöffnet. Als konkrete, wenig überzeugende Pläne für eine Randbebauung bekannt wurden, startete das Volksbegehren „100 % Tempelhof”, das sich gegen jegliche Bebauung auf dem einstigen Flugfeld einsetzte. Am 25. Mai 2014 nahm der Volksentscheid alle Hürden – das innerstädtische Flugfeld blieb frei. Damit ist eine der größten Freiflächen Berlins eingefroren – zumindest vorläufig. Denn vor dem Hintergrund zunehmender Wohnungsknappheit mehren sich erneut Stimmen für eine zurückhaltende Randbebauung.
Foto Philipp Meuser, 2009

Wie kann die ständig wachsende Großstadt gesund bleiben? Durch Straßenbäume und viel, viel Grün! Die erste große Tat zum Schutz der Grünflächen war 1915 der Dauerwaldvertrag. Er reservierte umfangreiche Waldflächen für die Naherholung. Die Bildung von Groß-Berlin ermöglichte – oft durch private finanzielle Unterstützung – weitere Volksparks, die der Erholung, der Kultur und dem Sport dienten. Über die Grenzen Berlins hinaus bekannt wurde das Strandbad Wannsee. In der Zeit des Nationalsozialismus entstand mit dem Reichssportgelände ein riesiger Sportpark, während der DDR-Zeit wurden weitere Parks ausgebaut oder geschaffen. Im späten West-Berlin konnte die lange Tradition der Gartendenkmalpflege zu einem neuen Höhepunkt geführt werden. Nach dem Fall der Mauer wurden neue große Parks in Berlin angelegt und Regionalparks im Umland geplant. Die bedeutendste historische Parklandschaft wurde zudem sorgfältig rekonstruiert: die Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin, eine Welterbestätte.

Berlin ist das Herz des deutschen Sportlebens. Es gibt nur wenige Städte, die über so gute Sportmöglichkeiten verfügen, wie die Reichshauptstadt, 6 v. H. des Gesamtgebietes Berlins sind öffentliche Wasserflächen, 18 v. H. Wälder, 1,5 v. H. Parkanlagen. Der Ruf nach Freiflächen für die Masse der Bevölkerung war eine der ersten Forderungen, die nach der Bildung der neuen Stadt Berlin gestellt wurden. Wer heute den Kranz von Park-, Spiel- und Sportanlagen der Reichshauptstadt besucht […], wird sagen müssen, daß die Forderung der Hergabe von Freiflächen volle Berechtigung hatte. Neue Lebensgestaltungen können sich nur dort vollziehen, wo das Volk mit der Natur verbunden lebt.

Ein Netz von Grünflächen soll die Baugebiete durchdringen, strahlenförmige Grünzüge sollen von den Innenparks zu den Waldungen und Außengebieten hinausführen. […] Die Freiflächen finden ihre Ergänzung in den Spiel- und Sportflächen und in den Kleingärten. […] Die Kleingärten müssen dauernden Platz im Stadtbild finden.

Gustav Böß, Oberbürgermeister 1919–1929
Berlin von heute.
Stadtverwaltung und Wirtschaft.
Berlin 1929

Landesarchiv Berlin, F Rep. 290-09-03, Nr. 64/3144

Ein Zögling der Großstadt:
Der ordentliche Straßenbaum

In den Straßen der früheren Städte und Dörfer standen selten Bäume. Erst in der Ära des Absolutismus wurden einige städtische Alleen angelegt, etwa die Allee Unter den Linden. In Paris setzte sich die baumbestandene Großstadtstraße im 19. Jahrhundert durch und wurde zum Vorbild für weitere Großstädte – auch für den Großraum Berlin. Die großen Radial- und Ringstraßen erhielten ihre charakteristischen Bäume: vor allem Linden, Ahorn, Eichen, Platanen und Kastanien. Das Foto zeigt Straßenbäume in der Frankfurter Allee Ecke Ruschestraße im Jahr 1928. Während des autogerechten Stadtumbaus dezimiert, hat der Straßenbaum heute wieder eine große Zukunft vor sich: als Botschafter der Verkehrswende, als positiver Beitrag in Zeiten des Klimawandels, zur Freude für den Fußgänger.

Volksparks aller Art

Volksparks sind eine Groß-Berliner Spezialität – schon vor 1920. Sie sollen der Freizeit und Erholung der Großstadtbewohner dienen und umfassen nicht nur schön gestaltete Freiflächen für das Auge, sondern auch Spiel- und Sportplätze, ja sogar Kultureinrichtungen. Die Idee solcher Volksparks kam aus den USA, vor allem aus Chicago, konnte sich aber auch auf eine eigene Berliner Tradition stützen. Während der Weimarer Republik wurden in Berlin Volksparks in großem Umfang neu geschaffen – auch auf direkte Initiative von Oberbürgermeister Böß, dem es gelang, über eine Stiftung private Gelder zu diesem Zweck einzusammeln. Auch die größte öffentliche Freizeiteinrichtung Berlins, das Strandbad Wannsee, ist baulich ein Kind von Groß-Berlin. Nach 1933 wurden weitere Parks neu geplant, angelegt und weiterentwickelt – bis heute.

Volkspark Rehberge

Park-Spiel- und Sportanlagen des Volksparks Rehberge, Erwin Barth, 1927.
AM TUB, Nr. 40963

Volksparks – eine kommunale Errungenschaft – sollten vor allem den Bewohnern der dicht bebauten Viertel zur Erholung, zum Spielen und zur sportlichen Betätigung dienen. Der Volkspark Rehberge ist ein Musterbeispiel eines solchen Volksparks im Arbeiterbezirk Wedding.

Strandbad Wannsee

Blick vom Rettungssteg auf Altund Neubauten des Strandbades, nach 1930.
Ansichtskarte

Das Strandbad Wannsee gehört zu den berühmtesten Errungenschaften von Groß-Berlin. Das heutige große Bad geht auf Planungen von Stadtbaurat Martin Wagner aus dem Jahr 1927 zurück, der ein modernes „Weltbad“ bauen wollte.

Reichssportgelände

Luftbild des Reichssportgeländes mit der Dietrich-Eckart-Freilichtbühne (heute Waldbühne) und dem Maifeld im Vordergrund, um 1936.
Werner March: Bauwerk Reichssportfeld. Aufnahmen Charlotte Rohrbach. Berlin 1936, Bild 3

Die nationalsozialistische Sportstadt präsentierte sich wie ein riesiger Volkspark, mit unterschiedlichen Sportstätten, Aufenthaltsflächen und einer Kulturstätte. Sie war ein bis ins Detail gestaltetes propagandistisches Manifest des Staates, nicht der Kommune.

Neuer Grunewald

Umgestaltungsplan für den Grunewald, Willi Schelkes, 1. Februar 1941. Ziel war es, den Wald besser zu erschließen. Auf dem Bild rechts ist das projektierte „Wehrtechnische Institut“ zu erkennen (heute der Trümmerhügel Teufelsberg; der Plan ist gewestet).
Die Baukunst. Heft August / September 1941, S. 151

Die „Umgestaltung“ des Grunewalds war ein wichtiger Teil der Neugestaltung Berlins unter Generalbauinspektor Albert Speer. Sie ging auf Pläne von Willi Schelkes zurück. 1938 begannen die Arbeiten.

Volks- und Waldpark Wuhlheide

Pionierpalast „Ernst Thälmann“, eröffnet 1979, entworfen von Günter Stahn, dem Architekten des Nikolaiviertels, o. J.
IRS (Erkner) / Wiss. Samml., Nr. 820021-1920

Der Park Wuhlheide wurde ab 1924 nach Plänen des Treptower Gartendirektors Ernst Harrich mehrmals umgestaltet. In der DDR-Zeit entstand 1950 weiter östlich der populäre Pionierpark „Ernst Thälmann“, 1979 wurde der von Günter Stahn entworfene Pionierpalast „Ernst Thälmann“ eröffnet.

Kleingärten für Groß-Berlin

Der Laubenpieper ist eine typische Großstadtpflanze, ganz besonders von Groß-Berlin. Mit etwa 2.900 Hektar belegen die Berliner Kleingärten immerhin drei Prozent der gesamten Stadtfläche. Von dieser Fläche sind etwa drei Viertel Eigentum des Landes. Kleingärten können einen Beitrag zum Stadtklima leisten, haben aber vor allem eine soziale Funktion: Sie bieten Gärten und grüne Heime auch für weniger bemittelte Schichten, in Krisenzeiten sogar (unerlaubten) Dauerwohnraum und Nahrungsquellen. Dennoch sind sie immer wieder Gegenstand von Bau-Begehrlichkeiten, insbesondere in Zeiten der Wohnungsknappheit wie heute.

Kleingartentypen für die Kleingartendauerkolonie
am Volkspark Rehberge im Arbeiterbezirk Wedding, Erwin Barth, März 1928.
AM TUB, Nr. 40992

Es geht auch anders: Grüne Plätze

Vor dem autogerechten Umbau fanden sich in Groß- Berlin schön gestaltete Straßen und Plätze, die reich von Straßenbäumen und ausgewählten Pflanzen, Parkbänken und Spielplätzen gesäumt wurden. So schmückten in der Kaiserzeit – heute kaum mehr zu glauben – Blumenbeete den Mittelstreifen der Bismarckstraße. Vor dem Ersten Weltkrieg schufen vor allem Terraingesellschaften schöne Straßen und Plätze, etwa den Rüdesheimer Platz, den Viktoria-Luise-Platz, den Bayerischen Platz, den Mexikoplatz, den Ludolfinger- und Zeltinger Platz. In der Weimarer Republik wurden stadtweit Plätze zunehmend nutzbarer gestaltet – durch bekannte Gartenarchitekten wie Erwin Barth, der neben vielen anderen Plätzen den Oranienplatz und den Boxhagener Platz zu Mini-Volksparks machte. Epochenübergreifend ist auch das Werk des Wilmersdorfer Gartenarchitekten Richard Thieme, der die Straßen und Plätze um die Kaiserallee, heute Bundesallee, modernisierte.

Gestaltungskonzept für den Koppenplatz, Erwin Barth, 1927. Die Plätze in den Arbeiterquartieren wurden von Barth mit ähnlicher Sorgfalt wie die der bürgerlichen Quartiere gestaltet.
AM TUB, Nr. 41074

Pläne für grüne Plätze von
Erwin Barth

In den 1920er Jahren wurden viele Plätze in Groß-Berlin grün umgestaltet – nicht zugunsten des Autos, sondern der Einwohnerschaft. Sie erhielten Spiel- und Schmuckanlagen. Verantwortlich dafür waren kommunale Gartenarchitekten, an erster Stelle Erwin Barth, Stadtgartendirektor von Groß-Berlin von 1926 bis 1929.

Grüngestaltung der „Carstenn-Figur“ durch Richard Thieme

Die durch eine nahezu symmetrische Straßen- und Platzkomposition gebildete „Carstenn-Figur“ ist eine der auffälligsten geometrischen Stadtraumformen von Groß-Berlin. Sie entfaltet sich über knapp vier Kilometer auf beiden Seiten der Bundesallee, früher Kaiserallee, und wird vom Volkspark Wilmersdorf gequert. Ihr Mittelpunkt ist der Bundesplatz, früher Kaiserplatz.

Kaiserplatz in Wilmersdorf vor dem Ersten Weltkrieg, 1912. Der Kaiserplatz (heute Bundesplatz) war der städtebauliche Höhepunkt der „Carstenn-Figur“. Die Stadt Wilmersdorf hatte auf dem Schmuckplatz 1910 die „Winzerin“ von Friedrich Drake aufstellen lassen.
Foto Max Missmann, Stiftung Stadtmuseum Berlin, Nr. IV 65 / 839 V

Musterhaft: Gartendenkmalpflege

Seit den 1980er Jahren genießt die Berliner und Brandenburger Gartendenkmalpflege Weltruf. Vor allem die Rekonstruktion der großen, zusammenhängenden Parklandschaft des Berliner Südwestens und Potsdams gilt als vorbildlich und ist heute als Weltkulturerbe anerkannt. Damit ist nicht nur eine großartige Erholungslandschaft zurückgewonnen, sondern auch ein touristisches Ziel von internationalem Rang gesichert worden. Andere Parks wie der Tiergarten und der Körnerpark verdanken ebenfalls ihre Wiederherstellung der Gartendenkmalpflege. Aber nicht nur große und kleine Parkanlagen, sondern auch einige viel bewunderte Stadtplätze sind das Ergebnis gartendenkmalpflegerischer Initiative, für die sich nicht zuletzt Klaus-Henning von Krosigk, Gartenbaudirektor von 1978 bis 2011, unermüdlich eingesetzt hat.

Schlösser und Gärten von Potsdam und Berlin

Zu den Reichtümern des Großraums Berlin zählen die preußischen Schlösser und Gärten, die 1990 durch die UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichnet worden sind. Dazu gehören die Anlagen in Potsdam und Glienicke.

Luftbild vom Neuen Palais im Park Sanssouci in Potsdam, 15. Juni 1990. Die Potsdamer Schlösser- und Parklandschaft war zum Zeitpunkt des Mauerfalls in Teilen ruinös.
Foto Lothar Willmann, DDR Bildarchiv, Nr. 52228
Der 1907 nach dem Entwurf von Emil Schubert gestaltete und 1987 rekonstruierte Mexikoplatz (Name seit 1959) in Zehlendorf, 2012.
Foto Katrin Lesser

Gartendenkmal-Plätze

Nach dem autogerechten Umbau der 1950er und 1960er Jahre erfuhren einige Plätze in den 1980er und 1990er Jahren eine fußgängerfreundliche Rekonstruktion durch die Gartendenkmalpflege. Seither gab es keine großen Platzprogramme mehr.

Nach 1990: Lust auf neue Parks

Nach der Wiedervereinigung – das wird leicht übersehen – brach ein regelrechtes Parkfieber aus: Historische Parks wurden rekonstruiert, neue wurden geschaffen, weitere geplant. Dazu gehörten überregionale Veranstaltungen wie die Internationale Gartenausstellung (IGA) in Marzahn 2017, aber auch lokale Groß-Berliner Sprösslinge wie der Mauerpark und das Grüne Band. Geplant wurden zudem – zur Stärkung und Bereicherung des „Siedlungssterns” – großzügige Regionalparks.

Mauerpark

Zu den typischen neuen Berliner Parks gehört der Mauerpark, der an dieser Stelle die Idee eines Grünzugs anstelle der Mauer aus der Zeit der Öffnung der Mauer aufgreift. Er verbindet heute die ehemaligen Bezirke Wedding und Prenzlauer Berg und wird intensiv genutzt.

Bäumepflanzung unmittelbar nach dem Fall der Mauer: der Ursprung des Mauerparks, 1. April 1990.
Foto Gerd Danigel
Luftbild des Mauerparks, 2007. Der Mauerpark wurde 1994 nach dem Entwurf von Gustav Lange angelegt und seitdem mehrmals erweitert.
Foto Philipp Meuser
Der Mauerpark ist ein Hotspot der Berliner Freizeitgesellschaft, 2018.
Foto Celina Miriam Schlichting

IGA-Gelände

Die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2017 hat einen bereits während der DDR-Zeit angelegten großen Park in Marzahn weiter ausgebaut und ausgestattet. Bekannt sind dort vor allem die Gärten der Welt.

Auf dem Gelände der Berliner Gartenschau entstanden ab 1998 die Gärten der Welt. 2017 fand dort die Internationale Berlin (IGA) statt. Der Blick vom Kienberg über die Seilbahn und ein Einfamilienhausareal reicht bis zum Fernsehturm.
Foto Harald Bodenschatz
Spielplatz mit Blick zur Seilbahnstation Wolkenhain auf dem Kienberg, 2017.
Foto Harald Bodenschatz
Palmen in einem der zahlreichen Themengärten vor Marzahner Hochhauskulisse, 2017.
Foto Harald Bodenschatz

Mauergrünzug „Grünes Band“

Das „Grüne Band“ ist ein im Werden begriffener eindrucksvoller neuer Park für Fußgänger und Radfahrer, der nach seiner Fertigstellung über 13 Kilometer entlang des ehemaligen Grenzverlaufs vom Nordbahnhof bis zum nördlichen Stadtrand verlaufen soll.

Mauergrünzug mit Erläuterungstafeln, 2020.
Foto Thomas Spier, apollovision