STADTLANDSCHAFT BRANDENBURG-BERLIN 2070 – KONTUR EINER ÜBERGANGS-GESELLSCHAFT
2. Preis
Verfasser
KOPPERROTH / SMAQ / Alex Wall Standort: Berlin / Berlin / Cambridge (USA) www.kopperroth.de / www.smaq.net / www.alexwall.com Team: Evelina Faliagka, Moritz Maria Karl, Dominik Renner Landschaftsarchitektur: Dipl.-Ing. Stefan Tischer, freischaffender Landschaftsarchitekt Fachplanung weiterer Disziplinen: Office MMK – Urban Technologies
TEILRAUM 1
An den Rändern der Siedlungsstrahlen werden Flächen in kleinteilige Parzellen gegliedert, um diese mit unterschiedlichen Nutzungen zu füllen. Mit diesen Maßnahmen wird nicht nur die intensive Landwirtschaft befördert, sondern auch die besiedelten Flächen werden räumlich gefasst. Diese Parzellen, gegliedert durch ein engmaschiges Wegenetz, erzeugen parkartige Landschaften. Vorhandene Siedlungen werden ergänzt und neue Entwicklungsbereiche für Wohnen, Freizeiteinrichtungen oder Energieprojekte in ein räumlich definiertes Umfeld gesetzt. Diese Zwischenlandschaft kann als ein Experimentierfeld für den ökologischen Landbau, für dezentrale Energieversorgung und alternative Siedlungsflächen genutzt werden, das gleichzeitig einer Zersiedelung des Umlands entgegenwirkt. Durch die Markierung besonderer Orte, die chiffrenartig als Kreise dargestellt werden, können Sondernutzungen, wie kleine Siedlungen, landwirtschaftliche Betriebe oder Energieanlagen, in den Landschaftsraum platziert werden.
TEILRAUM 2
Abgeleitet aus der räumlichen Ordnung von Kleingärten werden „Parzellengrößen“ von 150 × 150 Meter definiert. Jedes dieser Cluster kann unterteilt und erweitert werden, um unterschiedliche Nutzungen aufzunehmen; die Energie- und Wasserversorgung wird dezentral und in kollektiver Selbstverwaltung organisiert. 50 Prozent jeder Parzelle müssen land(wirt)schaftlich bewirtschaftet werden, um den Charakter einer Parklandschaft zu erhalten. Die Einfriedung der „Parzellen“ erfolgt durch Mulden und Senken, die den Rückhalt und die Versickerung von Oberflächenwasser entlang des Wegesystems aufnehmen. Durch Baum- und Heckenpflanzungen entstehen Naturkorridore, die das Mikroklima verbessern. Das vorgezeichnete Raster bildet das öffentliche Wegenetz ab. Die Parzellen werden durch Konzeptbewerbungen in Erbbaupacht vergeben. Mit diesem Flächennutzungskonzept werden soziale und ökologische Wohnformen im Sinne einer „Übergangsgesellschaft“ für freiheitliche Lebensformen gefördert.
TEILRAUM 3
Kleingartenanlagen entlang von Haupterschließungsstraßen, wie der Autobahn 114 und der S-Bahn-Trasse zwischen Französisch Buchholz und Blankenfelde mit dem Bahnhof Blankenfelde und einem neuen möglichen Bahnhof an der Bucherstraße, warten mit geringer baulicher Dichte auf. Diese Flächen eignen sich für bauliche Entwicklungen, zumal die technische Infrastruktur und die Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln vorhanden sind. Hier handelt es sich um das Konzept einer geordneten Nachverdichtung entlang der Radialen. Vorhandene Landschaftselemente wie Alleen, Schwemmwiesen oder die Panke werden renaturiert. Der angestrebte Nutzungsmix aus Wohnen, Büroarbeitsplätzen, produzierendem Gewerbe und Logistikzentren erzeugt eine Vielfalt von Gebäudetypologien, die eine hohe bauliche Dichte erlaubt. Im Übergang zu den historischen Angerdörfern und den Verkehrstrassen nimmt der Entwurf die Einfamilienhaussiedlungen wieder auf und integriert einen geringen Teil der Kleingartensiedlungen in den Landschaftsraum.
Erläuterungen der Verfasser
Berlin wächst, und mit Berlin auch das Brandenburger Umland. Im letzten Jahrhundert wurden Brandenburg und Berlin durch die Entwicklungen entlang der Radialstraßen und S-Bahnen der Strahlen des Siedlungssterns immer enger miteinander verflochten. Die Großstadtregion Berlin-Brandenburg auch weiterhin entlang der Infrastrukturlinien zu entwickeln und das Leitbild des Siedlungssterns zu konsolidieren ist sinnvoll. Es sind allerdings ein Perspektivwechsel und eine zukunftsfähige ökonomische und soziale Vision notwendig, deren Umsetzung auf einer Gleichgewicht schaffenden Stärkung des ländlichen Brandenburger Umlands gegenüber der Ausdehnungsdynamik aus dem Zentrum der Hauptstadt heraus basiert. Die künftige Metropolenentwicklung sollte dazu anhand von drei Aktionsfeldern erfolgen: 1. Regeneration der Landschaft als ökologische Umwelt, soziales Milieu und ökonomischer Wirkungsbereich; 2. Ausformulierung der Schnittstelle zwischen Stadt und Land in einer ablesbaren Kontur des Siedlungssterns, als „Ökoton”, „Saumbiotop” be-ziehungsweise „Übergangsgesellschaft”; 3. Verflechtung der Radialen mit den grün-blauen Strukturen und Vernetzung der Siedungsstrahlen mit umlaufenden orbitalen Straßen, um so den Stern zum Netz zu entwickeln.
Die Strategie des schrittweisen Umbaus zur stadtlandschaftlichen Metropole basiert zum einen auf dem Aufgreifen und Aktivieren existierender landschaftlicher und infrastruktureller Strukturen, zum anderen auf dem Auslösen latent vorhandener und der Injektion neuer innovativer Nutzungen sowie auf dem Zulassen unvorhersehbarer Nutzungen durch Spielräume in den drei Aktionsfeldern. Grundgedanke ist, dass eine zukunftsfähige Metropole nur aus der Landschaft entwickelt werden kann. Für Berlin und Brandenburg bilden die typischen Landschaftsstrukturen, Wasseradern, Alleen, Angerdörfer und Feldstrukturen den Ausgangspunkt. Geländeform, Böden, Gewässerstrukturen, lokales Klima und Habitate sind Grundlage sowohl für die Diversifizierung der Landschaftsstrukturen als auch baulicher Entwicklungsstrategien. Das Schmettausche Kartenwerk mit seinen historischen Messtischblättern bie-tet dabei wertvolle Anhaltspunkte für die Aktivierung der landschaftlichen Gegebenheiten. Entlang der vorhandenen, oft sehr gut ausgestatteten Infrastrukturen, vor allem der Radialen mit ihren Straßenbahnen, soll verdichtet werden. Das bestehende Erschließungsnetz der historischen Alleen wird für neue Formen der Mikromobilität (On-Demand-Bus, Shared-Mobility, E-Fahrrad) qualifiziert. Dadurch entsteht zwischen den Siedlungsarmen ein engmaschiges Erschließungsnetz. Autobahnzubringer, die innerhalb des äußeren Bahnrings liegen, werden zu Schnellradwegen und dienen dem Gütertransport. Innerstädtische und urbane Produktionen und Manufakturen können so gefördert werden. Der Individualverkehr vom Umland und vom Rand in Richtung Zentrum steigt am äußeren Ring auf die Bahn um. Eine sozial gerechte und offene Gesellschaft braucht räumliche und ökonomische Freiräume, in denen Lebens- und Integrationsmodelle in großer Vielfalt probiert und praktiziert werden können. Konzeptvergabe und wertsteigerungsfreie Modelle dienen der Stärkung des gemeinnützigen und genossenschaftlichen Wohnungsbaus und ermöglichen auch kleineren Akteuren den Zugang zur Baulandentwicklung. Die Strategie eines schrittweisen Umbaus zur stadtlandschaftlichen Metropole wird exemplarisch für drei Bereiche anhand der drei Themenschwerpunkte Regionalpark, Wohnungsneubau und Umbau eines Siedlungsarms dargestellt. Der gewählte Betrachtungsraum behandelt den Siedlungsstrahl Pankow-Buch-Bernau-Barnim.
Die städtische Kontur als räumliche Strategie: „Übergangsgesellschaft” zwischen Land und Stadt. Die Kontur zeichnet die Arme des Siedlungssterns nach und vermittelt den Übergang zwischen Stadt und ländlichem Raum neu. Sie bildet ein „Freiland” und eine poröse Membran zwischen zwei gleichwertigen Kulturlandschaften. Die Kontur liegt als durchschnittlich 1.000 Meter breite Zone mal in Brandenburg, mal im Land Berlin. Sie übernimmt soziale und öko-logische Funktionen, indem sie zwei Eigenschaften vereint: einerseits eine durch die Orientierung an der offenen Landschaft geprägte landschaftliche Intelligenz und andererseits eine durch Freiräume und Öffentlichkeit geprägte Fähigkeit zum Experiment, die bisher in erster Linie in der Großstadt gegeben war. Die Kontur vereint die Qualitäten, bündelt die Kräfte von Stadt und Land und wird so zur politischen Begegnungszone. Auf neutralem Gebiet bildet sie den Nährboden für Innovationen, ist Inkubator und Experimentierfeld für eine neue, nachhaltige Großstadtregion. Die Kontur bietet Platz für neue Wohn- und Arbeitsquartiere sowie infrastrukturelle Großprojekte und bringt so Entlastung für den Entwicklungsdruck auf die Brandenburger Landschaft. Mosaik – kontextuelle und immanente Vielfalt. Als “Ökoton” steht die Kontur für Vielfalt. Die Kontur bildet durch die kontextuelle Anordnung von fünf Stadt- und Landschaftsbausteinen ein räumliches Mosaik: I Naturschutz-gebiete, II Waldlichtungen, III Wohnen und regenerative Mikrolandwirtschaften, IV Neue Stadtquartiere, V Sondernutzungen, Großprojekte und Energie. Diese Bausteine dienen sowohl der Nachverdichtung des Siedlungssterns als auch der Renaturierung und Stärkung der ländlichen Bereiche Brandenburgs. Je nach Umfeld bietet das Mosaik Raum für urbane Entwicklungspotenziale oder ist Ort für innovative Landwirtschaft und modellhafte naturräumliche Strategien. Auch innerhalb der Mosaiksteine werden Mosaike ausgebildet. Dies ist die Stärke der Kontur: Jeder Baustein setzt sich aus einer Vielfalt von Lebensentwürfen, Waldkulturen und / oder Biotopen zusammen.
Regionalpark Barnim (Bernau-Werneuchen). Neben den bestehenden Naturparks sollen vier spezielle Parklandschaften – Regionalparks – entwickelt werden, wobei zwei davon bereits ausgeprägt sind. Dieser neuer Regional-park zwischen Bernau und Werneuchen soll den landschaftlichen Transformationsprozess als Inkubator initiieren. Die historischen Messtischblätter sind dabei Anhaltspunkt für die Rekonstruktion und Entwicklung, da Mikrotopografie und Bodengegebenheiten meistens noch übereinstimmen. Diese Naturflächen werden exponentiell im Verhältnis zum heutigen Zustand erweitert (ca. Faktor 10). Darüber hinaus werden bestehende Wälder sukzessive renaturiert oder der Plenterbewirtschaftung zugeführt und Naturparks sowie Natur- und Landschaftsschutzgebiete in das Netz integriert.
Kontur-Mosaik, Themenschwerpunkt: Wohnungsneubau. Die Kontur setzt sich aus fünf unterschiedlichen Stadt- und Landschaftsbausteinen zusammen und erzeugt durch eine Mischung von Neuansiedlungen und Neupflanzungen einen ökologisch, ökonomisch und sozial vielfältigen Lebensraum. Der beispielhaft betrachtete Teilraum liegt zwischen Buch und Schwanebeck und wird von der Autobahn A 10 durchkreuzt. Der Fokus liegt auf dem für den Themenschwerpunkt Wohnungsneubau relevanten Mosaikstein. Mit ihm soll ein Experimentierfeld ermöglicht werden, das ökologische und soziale Wohnformen fördert und in seiner Vielfalt für die Vision einer „Übergangsgesellschaft” steht. Mit diesem Mosaikstein soll eine Freiheit hinsichtlich der Lebensweisen und -formen innerhalb einer Parzelle ermöglicht und ein Beitrag zur dezentralen, kollektiven Energie- und Wasserversorgung geleistet werden. Struktur und Maßstäblichkeit der Siedlung orientieren sich an Berechnungsgrößen zur landwirtschaftlichen Selbstversorgung mit durchschnittlichen Parzellengrößen von ca. 150 m × 150 m, die entsprechend der Lage und Nutzung erweitert oder unterteilt werden können. Vorhandene landschaftliche und bauliche Strukturen werden entweder integriert oder begrenzen die Struktur. Jede Parzelle ist von einem öffentlichen Wegenetz umgeben. Die Wege können dabei flexibel unterschiedlichen Verkehrsarten zugeordnet werden. Durch ein Bewerbungsverfahren sollen gemischte Akteurskonstellationen in diesem Mosaik-stein gewährleistet werden. Der sozial-ökologische Innovationsgedanke muss in der Bewerbung dargelegt werden. Damit soll eine Vielzahl an Lebensformen gefördert werden. So werden neue Qualitäten ermöglicht: ökonomische Bauweise, gegenseitige Fürsorge und Fahrgemeinschaften, vielfältige Freiräume, aber auch Innovation unter landwirtschaftlich-ökologischen Aspekten. Die Parzellen werden in Erbpacht vergeben und nicht veräußert.
Lifelines, Themenschwerpunkt: Umgestaltung eines Abschnitts einer Radialstraße innerhalb Berlins, Umgestaltung eines Abschnitts eines Siedlungsstrahls des Siedlungssterns (Brandenburg). Die Umgestaltung und Entwicklung eines Siedlungsstrahls hängt eng mit den Radialstraßen beziehungsweise den alten Landstraßen oder Alleestraßen zusammen. Der beispielhaft be-trachtete Teilraum liegt im nördlichen Pankow auf der Höhe der Angerdörfer Französisch Buchholz und Blankenburg. Die Entwicklung baut auf der historischen Landschaftsstruktur mit ihren Alleen, Gräben und Dörfern auf und bezieht jüngere Schichten wie Autobahn und S-Bahn mit ein. Die Umgestaltung folgt der These, dass die vorhandenen, sehr gut ausgestatteten Infrastrukturen in diesem durch geringe Dichte gekennzeichneten Abschnitt mehr Bewohner und Aktivitäten einer wachsenden Metropolregion stützen können und müssen. Die Radialstraßen werden eingebunden in ein Flechtwerk verschiedener Bewegungslinien und -formen, indem die Verläufe der Fließgewässer sowie der S-Bahn und Autobahn zu unterstützenden Radialen werden. Dieses Flechtwerk bildet die „Schlagadern” des Sterns und verknüpft das Mosaik der Kontur mit dem Inneren des Sterns. Entlang der Linien, zwischen den Linien und insbesondere dort, wo Bewegungen sich kreuzen, entstehen höhere Dichten – durch Nachverdichtungen, Ausbildungen von öffentlichen Räumen, Stadt-Projekte sowie vor allem durch die Förderung von Handel und Produktion in der Makers-Schiene. Die existierenden Transport-Infrastrukturen werden zu deren „Lebenslinien”