Jordi & Keller Architekten / Pellnitz Architektur und Städtebau Standort: Berlin www.jordi-keller.de www.pellnitz.de Team: M. Eng. Yannick Langer, Dipl.-Ing. Nandor Kovac, Frederic Jordi Landschaftsplanung: Christina Kautz Landschaftsarchitektur Fachplanung weiterer Disziplinen: Ludwig Krause (Verkehrs- und Stadtplaner)
TEILRAUM 1: „BRANDENBURG AN DER HAVEL
Mit dem geplanten Ausbau des 3. und 4. Eisenbahnrings im Metropolenraum ist eine Nachverdichtung von Brandenburg an der Havel um die doppelte Einwohnerzahl vorstellbar. Ziel der Planung ist eine Stadtentwicklung, die unter Berücksichtigung der historischen Identitäten eine engere Durchdringung von Stadt und Natur befördert. Zwischen Neustadt und Bahnhof wird der bauliche Bestand mit der Schließung von Blöcken strukturell ertüchtigt. Dabei bleiben die baulichen Anlagen innerhalb der Blöcke weitgehend erhalten. Potenzielle Entwicklungsflächen werden im Südwesten des Bahnhofs und im Westen der Altstadt bis an die Bahnlinie geführt. Auch südlich des Bahnhofs, entlang des Jakobsgrabens, wird die vorhandene offene Bauweise durch straßenständige Bebauung verdichtet. Die erweiterte Blockstruktur trägt zu einer deutlichen Harmonisierung der Stadtstruktur aus der Vogelperspektive bei.
TEILRAUM 2: „WESTKREUZ“
Das Aufeinandertreffen der Verkehrssysteme mit ihren Richtungswechseln erzeugt beim derzeitigen Verkehrsaufkommen, speziell zu Stoßzeiten, erhebliche Staus und Überlastungen der baulichen Anlagen. Die AVUS, die erste reine Autostraße der Welt und ehemals bedeutende Autorennstrecke, wird in diesem Konzept als Boulevard ausgebildet. Der Autoverkehr wird unterirdisch geführt, der Bahnverkehr oberirdisch. Die Gleisanlagen werden zu einer Grünanlage umgestaltet, die den nahen Lietzenseepark mit dem Grunewald verbindet. Die Nordkurve nimmt ein neues Fußballstadion auf. Die städtebaulichen Ergänzungen folgen der Charlottenburger Blockstruktur. Das dominierende Element soll ein Tor aus zwei Hochhäusern mit einer Höhe von bis zu 200 Metern sein, das auch an den drei anderen Bahnhöfen entstehen soll.
TEILRAUM 3: BERLIN-MITTE
Nur wenige Entwurfsverfasser haben ihren Blick auf Berlin-Mitte gelenkt. Das Zentrum ist der historischen Mitte um 1920 angenähert. Teile der angrenzenden Königsstadt werden ebenfalls mit dem Stadtgrundriss von 1920 ergänzt. Die Stralauer Vorstadt wird straßenbegleitend mit großformatigen Wohnungsbauten verdichtet. Die Entwurfsabsicht unterstützt die Vorstellung von einer Stärkung der historischen Mitte mit einem – in der aktuellen Planung nicht vorgesehenen und fachlich umstrittenen – rekonstruierten Stadtgrundriss und zusätzlichen Kultureinrichtungen. Der vorhandene Wohnungsbau soll eine „Koalition“ mit dem rekonstruierten Stadtgrundriss eingehen. Die Idee von Peter Joseph Lenné, „Schmuck- und Grenzzüge“ in die Stadt zu integrieren, wird wieder aufgegriffen. So sieht der Entwurf vor, dass das Engelbecken in Kreuzberg über den Strausberger Platz bis zum Volkspark Friedrichshain weitergeführt wird. Der Wasserlauf soll beidseitig als Grünraum mit Alleen und Aufenthaltsflächen ausgestaltet werden.
Erläuterungen der Verfasser
STERNARCHIPEL BERLIN-BRANDENBURG 2070 – STÄDTEBAULICHES ENTWICKLUNGSKONZEPT Berlin-Brandenburg ist aus verschiedenen Dörfern und Städten entstanden. Diese Entwicklung hat zu einem Archipel von Zentren innerhalb und außer-halb Berlins geführt, die durch sternförmig ausgehende Radialen und Bahnringe miteinander verbunden sind. Innerhalb des „Hundekopfes“ ist die Struktur durch Grüninseln im dichten, großstädtischen Häusermeer, außerhalb durch Siedlungsinseln in Grün- und Naturräumen geprägt. Zwischen den Strahlen der sternförmigen Entwicklung Berlins ragen die großen Landschaftsräume bis weit in die Mitte der Metropolregion hinein. Dieser Sternarchipel mit seiner Dialektik von Bebauung und Natur stellt eine der stärksten Qualitäten und eines der größten Potenziale der Metropolregion Berlin-Brandenburg dar, die es zu festigen und weiterzuentwickeln gilt. Neue Bau- und Wohnflächen sollen vor allem innerhalb dieser Struktur als Konversion, Verdichtung und Qualifizierung von bestehenden Siedlungsflächen entstehen. Das aktuelle Leitbild eines Siedlungssterns für die Metropolregion Berlin-Brandenburg wird mit dem hier vorgeschlagenen Leitbild des Sternarchipels erweitert und differenziert. Der Begriff des Siedlungssterns und auch seine Visualisierung im Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg evozieren eine uneingeschränkte Verdichtung innerhalb des Siedlungssterns und berücksichtigen damit nicht seine vielfältige Durchdringung mit Naturräumen. Der Begriff des Sternarchipels, der sowohl an das Konzept von Berlin als „grünem Archipel“ als auch an Ideen des Groß-Berlin-Wettbewerbs von 1910 an-knüpft, will diese dialektische Durchdringung von Stadt und Natur als neues Leitbild vorschlagen.
DEZENTRALISIERUNGSZIEL –––– Dem Dezentralisierungsziel der Bundesregierung zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse vor allem im strukturschwächeren ländlichen Raum folgend geht das städtebauliche Entwicklungskonzept langfristig von einer Stärkung der vorhandenen Städte Brandenburgs – auch zur Entlastung Berlins – aus. Nach Flächenschätzungen kann mit den hier vorgeschlagenen Maßnahmen bis um das Doppelte an Einwohnern in die Metropolenregion aufgenommen werden, ohne einen Qualitätsverlust der Freiräume zu erleben und nur mit minimaler zusätzlicher Bodenversiegelung.
BAHNRINGE –––– Im Raum Berlin-Brandenburg werden neben dem „Hunde-kopf“ und dem Berliner Außenring zwei weitere Bahnringe angelegt, die vorhandene Zentren an den von Berlin ausgehenden Bahnradialen miteinander verbinden, stärken und eine Entlastung des Durchgangsverkehrs durch Berlin ermöglichen. Der 3. Ring wird zu großen Teilen auf vorhandenen Bahngleisen oder direkt am Berliner Autobahnring entlanggeführt und verbindet Orte wie Oranienburg, Bernau, Strausberg, Königs Wusterhausen, Beelitz und Nauen miteinander. Der 4. Ring verbindet die Städte der sogenannten zweiten Reihe wie Brandenburg an der Havel, Frankfurt an der Oder und Cottbus. Beide Ringe bieten auch die Möglichkeit, neue Standorte für Industrie, Verwaltung und Gewerbe (aktuell zum Beispiel Tesla) mit den nächsten Orten am jeweiligen Ring zu verknüpfen. Dadurch erhalten diese Orte sowohl eine Nähe zu den Neuansiedlungen als auch zu Berlin.
EILRAUM BRANDENBURG AN DER HAVEL –––– Die Stärkung der Städte der sogenannten zweiten Reihe wie Brandenburg an der Havel, Frankfurt an der Oder oder Cottbus ist einer der zentralen Punkte des strategischen Entwicklungskonzepts. Die großen Qualitäten dieser Städte – ihre Einbettung in die Landschaft, ihre historischen Stadtkerne und die gute Erreichbarkeit der Großstadt Berlin – prädestinieren sie für eine Rolle als wichtige Oberzentren in der Region. Es gilt die Geschichte dieser Städte zu berücksichtigen und die enge Verbindung und Durchdringung von Stadt und Natur weiterzuentwickeln. Exemplarisch für diese Städte der zweiten Reihe steht Brandenburg an der Havel. Die vorhandenen Strukturen und die landschaftlichen und organischen Elemente der Stadt werden aufgenommen und weitergeführt. Die existieren-de Bebauung mit ihren Blockstrukturen wird weiter verdichtet und bis an den Stadtrand geführt, so dass hier klare Kanten zum umgebenden Landschaftsraum entstehen. Dabei werden einerseits die organischen Formen der Stadt, die sich im historischen Zentrum finden, andererseits typische Elemente der industriellen Entwicklung wie Hochsilos in Form von neuen Hochpunkten thematisiert. Zugleich durchdringen die Naturräume jedoch auch die Stadt, so dass sich Stadt und Natur auf vielfältige Weise wieder verbinden.
TEILRAUM WESTKREUZ –––– Beispielhaft für die Grundideen des Gesamtplans steht die Planung für den Bereich um das Westkreuz: die Verdichtung innerhalb der Siedlungsgrenzen, die Überbauung und Konversion von Verkehrs- und Restflächen und die Stärkung der Kreuzungspunkte von Bahnringen und Bahnradialen. Der S-Bahnhof Westkreuz wird zum Regionalbahnhof ausgebaut, der wie beim Süd-, Ost- und Nordkreuz (Gesundbrunnen) einen Umstieg von den Regionalbahnen aus dem Umland auf den S-Bahn-Ring ermöglicht. Die Autobahn wird unterirdisch geführt sowie zu Teilen zurückgebaut und somit ihre fatale Barrierewirkung beseitigt. Auf dem großräumigen Areal wird ein dichtes, sozial und funktional gemischtes Stadtquartier geplant und mit den umliegenden Quartieren gut vernetzt. Am Westkreuz werden wie an den anderen drei Bahnkreuzen Süd-, Ost- und Nordkreuz jeweils zwei Hochhäuser von rund 100 bis 200 Meter Höhe als Tore zur Berliner Innenstadt errichtet. Diese Hochhauspaare rahmen die Hochhausgruppen an den zentralen Orten der Berliner Innenstadt. Zu großen Teilen auf den alten Bahngleisen wird ein Park angelegt, der den Grunewald über den Lietzenseepark mit der Ost-West-Achse verbindet. Die Ost-West-Achse wird zu einem grünen Boulevard mit Baumreihen und einer Fahrradschnellstraße in der Mitte ausgebaut
TEILRAUM BERLIN-MITTE –––– Die Metropolregion Berlin-Brandenburg kann nicht ohne ihr Zentrum, die historische Mitte von Berlin, gedacht wer-den. Auch wenn die strategische Entwicklung im vorliegenden Konzept vor allem eine Stärkung der Städte an den Ringen vorsieht, spielt Berlins Zentrum für die gesamte Region eine zentrale Rolle. Die historische Entwicklung Berlins von der kleinen Siedlung über die Königsstadt bis hin zum politischen Zentrum Deutschlands kann nur hier abgelesen werden. Ebenso strahlen die Kultureinrichtungen im Zentrum der Stadt auf die gesamte Metropolregion aus. Für den mittelalterlichen Kern wird vorgeschlagen, die vorhandenen DDR-Bauten mit einer kritischen Rekonstruktion des historischen Stadtgrundrisses in einen Dialog treten zu lassen, um so die lange Geschichte der Stadt Berlin wieder ablesbar zu machen und durch die historischen Adressen wie-der an die einzelnen Geschichten der Häuser erinnern zu können. Östlich des mittelalterlichen Zentrums von Berlin wird Lennés Projekt der „Schmuck- und Grenzzüge“ aufgegriffen: Die Verbindung vom Engelbecken über den Strausberger Platz zum Volkspark Friedrichshain wird zu einem durchgehenden Grünzug ausgebildet und über großstädtische Platzfiguren monumentalisiert.
STRATEGISCHE ÜBERLEGUNGEN ZUM PROZESS –––– Bis heute gibt es keinen gemeinsamen länderübergreifenden öffentlichen Diskurs zur strategischen Entwicklung der Metropolregion Berlin-Brandenburg. Der Wettbewerb Berlin-Brandenburg 2070 bietet mit seinen Plänen und Bildern die große Chance, diese Diskussion anzustoßen und voranzubringen. Die Preisträger des Wettbewerbs sollten in einem mehrjährigen öffentlichen Dialogverfahren in Zusammenarbeit mit der gemeinsamen Landesplanung und im Austausch mit den Bürgern der beiden Länder ein gemeinsames Gesamtkonzept für die langfristige Entwicklung erarbeiten
KOPPERROTH / SMAQ / Alex Wall Standort: Berlin / Berlin / Cambridge (USA) www.kopperroth.de / www.smaq.net / www.alexwall.com Team: Evelina Faliagka, Moritz Maria Karl, Dominik Renner Landschaftsarchitektur: Dipl.-Ing. Stefan Tischer, freischaffender Landschaftsarchitekt Fachplanung weiterer Disziplinen: Office MMK – Urban Technologies
TEILRAUM 1
An den Rändern der Siedlungsstrahlen werden Flächen in kleinteilige Parzellen gegliedert, um diese mit unterschiedlichen Nutzungen zu füllen. Mit diesen Maßnahmen wird nicht nur die intensive Landwirtschaft befördert, sondern auch die besiedelten Flächen werden räumlich gefasst. Diese Parzellen, gegliedert durch ein engmaschiges Wegenetz, erzeugen parkartige Landschaften. Vorhandene Siedlungen werden ergänzt und neue Entwicklungsbereiche für Wohnen, Freizeiteinrichtungen oder Energieprojekte in ein räumlich definiertes Umfeld gesetzt. Diese Zwischenlandschaft kann als ein Experimentierfeld für den ökologischen Landbau, für dezentrale Energieversorgung und alternative Siedlungsflächen genutzt werden, das gleichzeitig einer Zersiedelung des Umlands entgegenwirkt. Durch die Markierung besonderer Orte, die chiffrenartig als Kreise dargestellt werden, können Sondernutzungen, wie kleine Siedlungen, landwirtschaftliche Betriebe oder Energieanlagen, in den Landschaftsraum platziert werden.
TEILRAUM 2
Abgeleitet aus der räumlichen Ordnung von Kleingärten werden „Parzellengrößen“ von 150 × 150 Meter definiert. Jedes dieser Cluster kann unterteilt und erweitert werden, um unterschiedliche Nutzungen aufzunehmen; die Energie- und Wasserversorgung wird dezentral und in kollektiver Selbstverwaltung organisiert. 50 Prozent jeder Parzelle müssen land(wirt)schaftlich bewirtschaftet werden, um den Charakter einer Parklandschaft zu erhalten. Die Einfriedung der „Parzellen“ erfolgt durch Mulden und Senken, die den Rückhalt und die Versickerung von Oberflächenwasser entlang des Wegesystems aufnehmen. Durch Baum- und Heckenpflanzungen entstehen Naturkorridore, die das Mikroklima verbessern. Das vorgezeichnete Raster bildet das öffentliche Wegenetz ab. Die Parzellen werden durch Konzeptbewerbungen in Erbbaupacht vergeben. Mit diesem Flächennutzungskonzept werden soziale und ökologische Wohnformen im Sinne einer „Übergangsgesellschaft“ für freiheitliche Lebensformen gefördert.
TEILRAUM 3
Kleingartenanlagen entlang von Haupterschließungsstraßen, wie der Autobahn 114 und der S-Bahn-Trasse zwischen Französisch Buchholz und Blankenfelde mit dem Bahnhof Blankenfelde und einem neuen möglichen Bahnhof an der Bucherstraße, warten mit geringer baulicher Dichte auf. Diese Flächen eignen sich für bauliche Entwicklungen, zumal die technische Infrastruktur und die Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln vorhanden sind. Hier handelt es sich um das Konzept einer geordneten Nachverdichtung entlang der Radialen. Vorhandene Landschaftselemente wie Alleen, Schwemmwiesen oder die Panke werden renaturiert. Der angestrebte Nutzungsmix aus Wohnen, Büroarbeitsplätzen, produzierendem Gewerbe und Logistikzentren erzeugt eine Vielfalt von Gebäudetypologien, die eine hohe bauliche Dichte erlaubt. Im Übergang zu den historischen Angerdörfern und den Verkehrstrassen nimmt der Entwurf die Einfamilienhaussiedlungen wieder auf und integriert einen geringen Teil der Kleingartensiedlungen in den Landschaftsraum.
Erläuterungen der Verfasser
Berlin wächst, und mit Berlin auch das Brandenburger Umland. Im letzten Jahrhundert wurden Brandenburg und Berlin durch die Entwicklungen entlang der Radialstraßen und S-Bahnen der Strahlen des Siedlungssterns immer enger miteinander verflochten. Die Großstadtregion Berlin-Brandenburg auch weiterhin entlang der Infrastrukturlinien zu entwickeln und das Leitbild des Siedlungssterns zu konsolidieren ist sinnvoll. Es sind allerdings ein Perspektivwechsel und eine zukunftsfähige ökonomische und soziale Vision notwendig, deren Umsetzung auf einer Gleichgewicht schaffenden Stärkung des ländlichen Brandenburger Umlands gegenüber der Ausdehnungsdynamik aus dem Zentrum der Hauptstadt heraus basiert. Die künftige Metropolenentwicklung sollte dazu anhand von drei Aktionsfeldern erfolgen: 1. Regeneration der Landschaft als ökologische Umwelt, soziales Milieu und ökonomischer Wirkungsbereich; 2. Ausformulierung der Schnittstelle zwischen Stadt und Land in einer ablesbaren Kontur des Siedlungssterns, als „Ökoton”, „Saumbiotop” be-ziehungsweise „Übergangsgesellschaft”; 3. Verflechtung der Radialen mit den grün-blauen Strukturen und Vernetzung der Siedungsstrahlen mit umlaufenden orbitalen Straßen, um so den Stern zum Netz zu entwickeln.
Die Strategie des schrittweisen Umbaus zur stadtlandschaftlichen Metropole basiert zum einen auf dem Aufgreifen und Aktivieren existierender landschaftlicher und infrastruktureller Strukturen, zum anderen auf dem Auslösen latent vorhandener und der Injektion neuer innovativer Nutzungen sowie auf dem Zulassen unvorhersehbarer Nutzungen durch Spielräume in den drei Aktionsfeldern. Grundgedanke ist, dass eine zukunftsfähige Metropole nur aus der Landschaft entwickelt werden kann. Für Berlin und Brandenburg bilden die typischen Landschaftsstrukturen, Wasseradern, Alleen, Angerdörfer und Feldstrukturen den Ausgangspunkt. Geländeform, Böden, Gewässerstrukturen, lokales Klima und Habitate sind Grundlage sowohl für die Diversifizierung der Landschaftsstrukturen als auch baulicher Entwicklungsstrategien. Das Schmettausche Kartenwerk mit seinen historischen Messtischblättern bie-tet dabei wertvolle Anhaltspunkte für die Aktivierung der landschaftlichen Gegebenheiten. Entlang der vorhandenen, oft sehr gut ausgestatteten Infrastrukturen, vor allem der Radialen mit ihren Straßenbahnen, soll verdichtet werden. Das bestehende Erschließungsnetz der historischen Alleen wird für neue Formen der Mikromobilität (On-Demand-Bus, Shared-Mobility, E-Fahrrad) qualifiziert. Dadurch entsteht zwischen den Siedlungsarmen ein engmaschiges Erschließungsnetz. Autobahnzubringer, die innerhalb des äußeren Bahnrings liegen, werden zu Schnellradwegen und dienen dem Gütertransport. Innerstädtische und urbane Produktionen und Manufakturen können so gefördert werden. Der Individualverkehr vom Umland und vom Rand in Richtung Zentrum steigt am äußeren Ring auf die Bahn um. Eine sozial gerechte und offene Gesellschaft braucht räumliche und ökonomische Freiräume, in denen Lebens- und Integrationsmodelle in großer Vielfalt probiert und praktiziert werden können. Konzeptvergabe und wertsteigerungsfreie Modelle dienen der Stärkung des gemeinnützigen und genossenschaftlichen Wohnungsbaus und ermöglichen auch kleineren Akteuren den Zugang zur Baulandentwicklung. Die Strategie eines schrittweisen Umbaus zur stadtlandschaftlichen Metropole wird exemplarisch für drei Bereiche anhand der drei Themenschwerpunkte Regionalpark, Wohnungsneubau und Umbau eines Siedlungsarms dargestellt. Der gewählte Betrachtungsraum behandelt den Siedlungsstrahl Pankow-Buch-Bernau-Barnim.
Die städtische Kontur als räumliche Strategie: „Übergangsgesellschaft” zwischen Land und Stadt. Die Kontur zeichnet die Arme des Siedlungssterns nach und vermittelt den Übergang zwischen Stadt und ländlichem Raum neu. Sie bildet ein „Freiland” und eine poröse Membran zwischen zwei gleichwertigen Kulturlandschaften. Die Kontur liegt als durchschnittlich 1.000 Meter breite Zone mal in Brandenburg, mal im Land Berlin. Sie übernimmt soziale und öko-logische Funktionen, indem sie zwei Eigenschaften vereint: einerseits eine durch die Orientierung an der offenen Landschaft geprägte landschaftliche Intelligenz und andererseits eine durch Freiräume und Öffentlichkeit geprägte Fähigkeit zum Experiment, die bisher in erster Linie in der Großstadt gegeben war. Die Kontur vereint die Qualitäten, bündelt die Kräfte von Stadt und Land und wird so zur politischen Begegnungszone. Auf neutralem Gebiet bildet sie den Nährboden für Innovationen, ist Inkubator und Experimentierfeld für eine neue, nachhaltige Großstadtregion. Die Kontur bietet Platz für neue Wohn- und Arbeitsquartiere sowie infrastrukturelle Großprojekte und bringt so Entlastung für den Entwicklungsdruck auf die Brandenburger Landschaft. Mosaik – kontextuelle und immanente Vielfalt. Als “Ökoton” steht die Kontur für Vielfalt. Die Kontur bildet durch die kontextuelle Anordnung von fünf Stadt- und Landschaftsbausteinen ein räumliches Mosaik: I Naturschutz-gebiete, II Waldlichtungen, III Wohnen und regenerative Mikrolandwirtschaften, IV Neue Stadtquartiere, V Sondernutzungen, Großprojekte und Energie. Diese Bausteine dienen sowohl der Nachverdichtung des Siedlungssterns als auch der Renaturierung und Stärkung der ländlichen Bereiche Brandenburgs. Je nach Umfeld bietet das Mosaik Raum für urbane Entwicklungspotenziale oder ist Ort für innovative Landwirtschaft und modellhafte naturräumliche Strategien. Auch innerhalb der Mosaiksteine werden Mosaike ausgebildet. Dies ist die Stärke der Kontur: Jeder Baustein setzt sich aus einer Vielfalt von Lebensentwürfen, Waldkulturen und / oder Biotopen zusammen.
Regionalpark Barnim (Bernau-Werneuchen). Neben den bestehenden Naturparks sollen vier spezielle Parklandschaften – Regionalparks – entwickelt werden, wobei zwei davon bereits ausgeprägt sind. Dieser neuer Regional-park zwischen Bernau und Werneuchen soll den landschaftlichen Transformationsprozess als Inkubator initiieren. Die historischen Messtischblätter sind dabei Anhaltspunkt für die Rekonstruktion und Entwicklung, da Mikrotopografie und Bodengegebenheiten meistens noch übereinstimmen. Diese Naturflächen werden exponentiell im Verhältnis zum heutigen Zustand erweitert (ca. Faktor 10). Darüber hinaus werden bestehende Wälder sukzessive renaturiert oder der Plenterbewirtschaftung zugeführt und Naturparks sowie Natur- und Landschaftsschutzgebiete in das Netz integriert.
Kontur-Mosaik, Themenschwerpunkt: Wohnungsneubau. Die Kontur setzt sich aus fünf unterschiedlichen Stadt- und Landschaftsbausteinen zusammen und erzeugt durch eine Mischung von Neuansiedlungen und Neupflanzungen einen ökologisch, ökonomisch und sozial vielfältigen Lebensraum. Der beispielhaft betrachtete Teilraum liegt zwischen Buch und Schwanebeck und wird von der Autobahn A 10 durchkreuzt. Der Fokus liegt auf dem für den Themenschwerpunkt Wohnungsneubau relevanten Mosaikstein. Mit ihm soll ein Experimentierfeld ermöglicht werden, das ökologische und soziale Wohnformen fördert und in seiner Vielfalt für die Vision einer „Übergangsgesellschaft” steht. Mit diesem Mosaikstein soll eine Freiheit hinsichtlich der Lebensweisen und -formen innerhalb einer Parzelle ermöglicht und ein Beitrag zur dezentralen, kollektiven Energie- und Wasserversorgung geleistet werden. Struktur und Maßstäblichkeit der Siedlung orientieren sich an Berechnungsgrößen zur landwirtschaftlichen Selbstversorgung mit durchschnittlichen Parzellengrößen von ca. 150 m × 150 m, die entsprechend der Lage und Nutzung erweitert oder unterteilt werden können. Vorhandene landschaftliche und bauliche Strukturen werden entweder integriert oder begrenzen die Struktur. Jede Parzelle ist von einem öffentlichen Wegenetz umgeben. Die Wege können dabei flexibel unterschiedlichen Verkehrsarten zugeordnet werden. Durch ein Bewerbungsverfahren sollen gemischte Akteurskonstellationen in diesem Mosaik-stein gewährleistet werden. Der sozial-ökologische Innovationsgedanke muss in der Bewerbung dargelegt werden. Damit soll eine Vielzahl an Lebensformen gefördert werden. So werden neue Qualitäten ermöglicht: ökonomische Bauweise, gegenseitige Fürsorge und Fahrgemeinschaften, vielfältige Freiräume, aber auch Innovation unter landwirtschaftlich-ökologischen Aspekten. Die Parzellen werden in Erbpacht vergeben und nicht veräußert.
Lifelines, Themenschwerpunkt: Umgestaltung eines Abschnitts einer Radialstraße innerhalb Berlins, Umgestaltung eines Abschnitts eines Siedlungsstrahls des Siedlungssterns (Brandenburg). Die Umgestaltung und Entwicklung eines Siedlungsstrahls hängt eng mit den Radialstraßen beziehungsweise den alten Landstraßen oder Alleestraßen zusammen. Der beispielhaft be-trachtete Teilraum liegt im nördlichen Pankow auf der Höhe der Angerdörfer Französisch Buchholz und Blankenburg. Die Entwicklung baut auf der historischen Landschaftsstruktur mit ihren Alleen, Gräben und Dörfern auf und bezieht jüngere Schichten wie Autobahn und S-Bahn mit ein. Die Umgestaltung folgt der These, dass die vorhandenen, sehr gut ausgestatteten Infrastrukturen in diesem durch geringe Dichte gekennzeichneten Abschnitt mehr Bewohner und Aktivitäten einer wachsenden Metropolregion stützen können und müssen. Die Radialstraßen werden eingebunden in ein Flechtwerk verschiedener Bewegungslinien und -formen, indem die Verläufe der Fließgewässer sowie der S-Bahn und Autobahn zu unterstützenden Radialen werden. Dieses Flechtwerk bildet die „Schlagadern” des Sterns und verknüpft das Mosaik der Kontur mit dem Inneren des Sterns. Entlang der Linien, zwischen den Linien und insbesondere dort, wo Bewegungen sich kreuzen, entstehen höhere Dichten – durch Nachverdichtungen, Ausbildungen von öffentlichen Räumen, Stadt-Projekte sowie vor allem durch die Förderung von Handel und Produktion in der Makers-Schiene. Die existierenden Transport-Infrastrukturen werden zu deren „Lebenslinien”
Der Bereich zwischen Südkreuz und Tempelhofer Feld entlang der S-Bahn-Trasse besteht derzeit aus aufgelassenen Gewerbestandorten, Bahnanlagen, Kleingärten, Randflächen des ehemaligen Flughafens und Restflächen um den Bahnhof Südkreuz. Die Stadtautobahn A 10 und der S-Bahn-Ring dominieren die stadträumliche Situation. Der Entwurf zeigt, wie man diese Quartiere durch eine Neuinterpretation lokal überkommener städtebaulicher Muster weiterentwickeln kann und grenzt sich deutlich gegen die Gartenstadt Neu-Tempelhof („Fliegersiedlung“) ab. Entlang der Ringbahn wirkt die Bebauung als harte Stadtkante; zur Fliegersiedlung nimmt der Bebauungsvorschlag in Teilbereichen die Proportionen des bestehenden Wohnungsbaus auf. Die Bebauung entlang der Bahntrasse durchmischt Wohnen, Arbeiten und Versorgung. Die ergänzende Bebauung südlich des Flughafengebäudes nimmt, wie auch das Gebäude selbst, Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen auf. Eine Gruppe von drei Hochhäusern markiert das Zentrum und bildet gleichsam ein Tor nach Süden.
TEILRAUM 2: BERNAU
Nordwestlich und südöstlich des Bahnhofs Bernau bieten sich ausgedehnte Flächen für städtebauliche Planungen an. Zwei südwestlich in den Landschaftsraum hineinwirkende Konversionsflächen entlang der Bahnstrecke bestehen aus infrastrukturell erschlossenen Siedlungen, die mit unterschiedlichen Nutzungen eine neue Phase der Stadtentwicklung initiieren sollen. Die Nähe des Autobahndreiecks von A 10 und A 11 sowie der Vorteil günstiger S-Bahn-, Regionalbahn- und Fernbahnanschlüsse legen die Stadterweiterung an diesem Ort nahe. Das Konzept sieht hier im Kontrast zu den bestehenden Quartieren eine sehr hohe Verdichtung vor. Im Bereich des Bahnhofs wurden Blockstrukturen entwickelt, die die Bahntrasse umschließen und sich nach Norden und Süden hin öffnen. Nach Nordosten wird die Konversionsfläche mit einer Reihe von u-förmigen Gebäuden gesäumt, die eine großräumige Ergänzung zum Panke-Park ausbilden. Mit den ergänzenden Funktionen im südwestlich gelegenen Areal sollen Tourismus und Freizeit verstärkt werden.
TEILRAUM 3: SCHWEDT AN DER ODER
Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte ehemalige Residenzstadt Schwedt an der Oder liegt am nordöstlichen Rand der Landesentwicklungsplanung. Von einem Bahnanschluss an die bestehende Verbindung Berlin-Stettin würde die Stadt Schwedt stark profitieren. Das Entwurfskonzept sieht vor, diese Anbindung herzustellen und das Bahnhofsareal von Schwedt städtebaulich mit neuen zentralen Funktionen zu fassen. Eine Bebauung der Lücken und Restflächen in der Stadt im Sinne der kritischen Rekonstruktion ermöglicht Konstellationen zur Wiedererlebbarkeit des historischen Stadtgrundrisses. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die Landschaft des unteren Odertals mit ihren Naturschutzgebieten und dem Nationalpark. Das Heranführen der städtischen Bebauung an die Flusslandschaft würde nicht nur das Areal um die Uckermärkischen Bühnen, den Standort des 1962 gesprengten Residenzschlosses, stärken, sondern eine Aufwertung der gesamten Stadt bedeuten.
Erläuterungen der Verfasser
|| ZUSAMMENWACHSEN – LANDSCHAF(F)TSTADT || Berlin und Brandenburg wachsen zusammen Ein zukünftiges Gesamtkonzept für die Metropolenregion Berlin-Brandenburg setzt nicht nur gemeinsame politische Prozesse voraus, sondern vor allem eine gesamtheitliche städtebaulich-landschaftsplanerische Idee. Diese Idee basiert auf der Geschichte und auf den existierenden Potenzialen und Charakteristika der Berlin-Brandenburgischen Stadt- und Kulturlandschaft. Berlin-Brandenburger Städte wachsen nach innen. In Berlin gibt es große Potenziale für das Innenwachstum, für Verdichtung und räumliche Optimierung, von Baulücken über Brachen bis zur Transformation der Infrastrukturen. Zugleich muss der heute grüne Charakter der Stadt bewahrt bleiben. Dieser verkörpert ein einmaliges Erbe der Stadtentwicklung und wird zukünftig verstärkt für den klimatischen Ausgleich verantwortlich sein. Die Brandenburger Städte besitzen ebenso erhebliches Potenzial zum Wachstum innerhalb ihrer Grenzen. Dieses Innenwachstum kann die speziellen Charaktere der Brandenburger Stadttypen bewahren und verstärken. Zukünftige Mobilität wird durch Schienenverkehr geschaffen. Vor dem Hintergrund der Klima- und Energiewende stellt der Ausbau des Straßen- und Autobahnnetzes keine befriedigende Lösung dar. Dagegen eröffnen die Schienenverkehre eine nachhaltigere Perspektive, die durch die digitale Wende vorangetrieben wird. Konsequent wird sich das zukünftige Stadtwachstum an den alten und neuen Bahnlinien orientieren.
Berlin-Brandenburg und Europa. Durch die globale Verkehrswende und die Verstärkung der Schienen- und Wasserverkehre gewinnt Berlin-Brandenburg als Knotenpunkt diverser Kultur- und Handelskorridore im deutschen und europäischen Kontext an Bedeutung. Entsprechend wird das Schienen- und Wasserverkehrsnetz der Region Berlin-Brandenburg konsequent optimiert. Wachstum folgt den Radialen und verbindet die Städte. Die urbanen Erweiterungsgebiete folgen den sternförmigen Bahnradialen zwischen den geschützten Landschafts- und Kulturlandschaftsräumen. Sie verbinden so die zerstreuten Siedlungsansätze zu kompakteren Stadtstrukturen. Damit werden Flächen für die Ansiedlung von 1 Million neuen Einwohnern gewonnen, ohne die Charaktere der Stadtstrukturen radikal zu verändern – all dies im Einklang mit den großzügigen Landschaftsräumen.
Landschaft kommt in die Städte. Die von Wäldern, Seen und Agrarflächen geprägte Landschaft außerhalb Berlins stellt ein einzigartiges Zukunftspotenzial für die klimatische und ökologische Regeneration der Region dar. Den räumlichen Zusammenhang dieser Flächen zu stärken und deren Einbindung in den wachsenden, sich verdichtenden Stadtkörper zu verbessern, ist ein zentrales Motiv unseres Konzepts. So werden Naturgebiete respektive naturnahe Ge-biete mit entsprechender Infrastruktur und subtilen Wegeführungen für den Aufenthalt im Freien ertüchtigt. Kulturlandschaften verstärken die Wahrnehmung und das Verständnis der Region als Einheit und befördern in der Bevölkerung die Identifikation mit der Landschaft. So wird auch das gegenseitige Verständnis von Land- und Stadtbewohnern wachsen. Die radialen Wachstumsstränge ergänzen sich entlang der Schienen mit den zusammengefügten Räumen der Kulturlandschaft. Sie verstärken den Berliner Siedlungsstern zu einem komplementären Gefüge sich ergänzender Qualitäten: Stadt, Kulturlandschaft und Agrarlandschaft.
Der 3. Ring verbindet die Radialen. Den „Hundekopf” und den 2. Ring ergänzen wir durch einen neuen 3. Ring, um die Verbindung zwischen den Städten im Umland Berlins zu beschleunigen und so Umwege durch Berlin zu vermeiden. We-gen der Dichte und Nähe vieler Städte im Norden, Osten und Süden vernetzt der 3. Ring diese Orte und verbindet sich westlich von Potsdam mit dem 2. Ring. Dieser Kurzschluss optimiert die innere Dynamik der beiden Ringe, im Ergebnis wird der „Hundekopf” zum geometrischen Zentrum des Berliner Ringmodells. Durch den 3. Ring wird die Mobilität im Berliner Umland wesentlich erhöht und die Abhängigkeit der Städte von Berlin reduziert. Der 3. Ring wird in Phasen realisiert, hierfür bietet sich der Start im Nordost-Raum an, da hier die größte Wertschöpfung erwartet wird, synchronisiert mit dem Wachstum der brandenburgischen Zentren. Durch Anbindung an die Radialen wird schon bei einer phasenweisen Realisierung die angestrebte Netzoptimierung wirksam. Städtische Zentren an den Kreuzungen der Ringe und Radialen. Wie bereits am „Hundekopf“ entstehen an den Kreuzungen von Radialen und Ringen urbane Zentren aus gewerblichen Nutzungen, sozialen Infrastrukturen und Wohnungen, die von der optimalen Mobilität profitieren. Entlang des 3. Rings verstärken sich für die Wachstumszentren Brandenburgs die Möglichkeiten, sich unabhängig von Berlin zu entwickeln und miteinander zu verbinden.
100 % Stadt 100 % Landschaft. Der Westen Berlins war lange eine Großstadt ohne Hinterland. Freiraum war ein knappes Gut, das geschützt wurde. Die Insellage erzeugte Extreme: hohe städtische Dichte hier, Leere und Landschaft jenseits des Grenzzauns. Im Osten Berlins entstanden – aus dem sozialistischen Städtebau heraus – an vielen Stellen ähnliche Raumkonstellationen. Heute haben Berlin und Brandenburg deshalb eine einzigartige Beziehung, die eine der Schlüsselqualitäten der Region ist. Sie ist nicht geprägt von einer endlosen suburbanen Zone. Hier treffen Extreme aufeinander, die es so am Rand keiner anderen Metropole gibt: 100 % Stadt hier – hohe Dichte, städtisches Flair und vom Menschen dominierte Räume – und 100 % Landschaft dort – geringe Dichte und ländliche Naturräume. Unser Vorschlag: Unbewusst und ungeplant hat sich die Welteninsel eine Entwicklungsstrategie von 100 % Stadt, 100 % Landschaft geschaffen, die zukünftigen Herausforderungen von Klimawandel über Energiewende bis hin zum Erhalt von natürlichen Lebensräumen in idealer Weise gerecht werden kann. Sie sollte nicht nur am Rand der einzelnen Siedlungs- kerne genutzt werden, sondern auch an den inneren Peripherien. Große freie Flächen sollten frei bleiben: Parks, Brachen, ungenutzte Industrie- und Bahngelände. Berlin und die Städte und Dörfer um Berlin können sich nach innen verdichten – Platz ist vorhanden, man muss ihn nur effizient nutzen.
Der 3. Ring als Hochbahn. Zur Schonung von Kulturlandschaft, Landwirtschaft und Tierwelt wird der 3. Ring als Hochbahn konzipiert. Damit werden auch Kreuzungen mit Straßen, Autobahnen und Flüssen vereinfacht. Eine leichte Bautechnologie befördert das harmonische Verhältnis zu Natur und Landwirtschaft. Die erhöhte Sicht aus dem Zug schenkt dem Reisenden ein Landschaftserlebnis, die Bahnhöfe in den Städten werden zu attraktiven Orten. Drei exemplarische Orte. Für die Konkretisierung der Gesamtplanung haben wir drei Orte ausgewählt, die jeweils mit den Themen Mobilität, Stadtgeschichte, Wachstum und Landschaftsraum umzugehen haben. Zwei der Orte (Tempelhof-Südkreuz und Bernau) befinden sich an der Kreuzung von Radia-len und Ringen, der dritte Ort (Schwedt) ist entlang einer Radialen gelegen. Am Beispiel dieser Orte zeigen wir die Besonderheiten der Region Berlin-Brandenburg: städtische Charaktere mit widersprüchlichen Geschichten, mit Industrie und Gewerbe, mit Naturgebieten vielfältiger Art, mit guter Bahnvernetzung und Potenzialen zum Wachstum. Tempelhof-Südkreuz: Der Ort war auch früher ein exzeptioneller Ort, nicht bebaut und geprägt durch Bahnen, Wiesen, Kasernen und Übungsgelände. Heute stellen die benachbarten Kreuzungen von 1. Ring und Bahnradiale (Südkreuz) sowie von B 96, U-Bahn und Autobahnring (Tempelhof) ein einzigartiges Potenzial für eine städtebauliche Entwicklung dar. Zusätzliche Bedeutung erhält das Tempelhofer Feld als Erholungsraum und Kaltluftentstehungsgebiet für die Innenstadt. Wegen der optimierten überregionalen Erschließung bietet sich der Tempelhofer Damm für neue große Kulturprojekte in Berlin-Brandenburg an, für eine neue Landesbibliothek und für Hochschul- und Wissenschaftsstandorte im Ex-Flughafen. Die Flächen entlang der Bahn werden für gemischt genutzte Quartiere gewonnen. Die Kreuzung B 96 / U-Bahn / Stadtautobahn bietet einen idealen Ort für ein regionales Zentrum mit drei markanten Hochhäusern. Die Bahntrasse wird von einer Fahrradstrecke begleitet, die eine schnelle Verbindung zwischen Bahnhof und Flugfeld schafft. Der Autobahnring bietet sich idealtypisch für eine zukünftige Fahrradnutzung an. In der Summe wird Tempelhof-Südkreuz aus seiner stadträumlichen Isolation befreit und eine wichtige Aufgabe im Berliner Stadtgefüge erfüllen. Bernau bei Berlin: Bernau ist ein exemplarischer Fall für eine brandenburgische Stadt mit vielschichtiger Baugeschichte. Die Struktur der mittelalterlichen Mauer- und Wallanlage prägt Bernau bis heute. Die sozialistische Modernisierung ab 1975 hat die Substanz des Stadtkerns geschwächt, aber nicht ausgelöscht. Die Bahnstrecke führt von Berlin nach Nordosten, Richtung Stettin und Ostsee. Die beiden Militäranlagen zeugen von der Bedeutung der Bahnverbindungen für die Stadt. Mit dem Bau des 3. Rings und der Kreuzung mit der Nord-Süd-Radiale entsteht in Bernau ein Knotenpunkt von höchster Mobilität, der die Entwicklung eines Bahnhofsquartiers neben der Altstadt ermöglicht. Die Revitalisierung der beiden Militärkomplexe bietet Raum für Wohnungen und überregionale Forschungseinrichtungen. Die Renaturierung der Panke und der Panke-Park in unmittelbarer Nachbarschaft schaffen naturnahe Lebensbedingungen mit optimalen Verbindungen in die Region. Für den Regionaltourismus bietet der Barnim, von Bernau startend, einen optimalen Ausgangspunkt nicht nur für Bike-Touristen. Schwedt an der Oder: In Schwedt treffen drei Stadtmodelle aufeinander: die mittelalterliche Stadt (ab 1265), das barocke Residenzschloss (von 1685) mit seiner prächtigen Gartenachse zum Lustschloss Mon Plaisir und die sozialistische Idealstadt (Selmanagic 1960, Paulick 1962) für die Arbeiter in der Petroindustrie. In diesem Kontext wurde 1962 das Schloss gesprengt und durch den Kulturpalast ersetzt. Alle drei Stadtmodelle sind heute in einem fragmentarischen Zustand. Jenseits der Oder befindet sich der Oderpolder mit einer der wichtigen Oderbrücken. Mit der Bahn ist Schwedt über Angermünde an die Radiale Berlin-Stettin-Ostsee angebunden. Diese Verbindung wollen wir optimieren, so dass diese Radiale als Schnellbahn von Berlin nach Stettin zukünftig über Schwedt und dann entlang der Oder zur Ostsee führt. Städtebaulich bietet sich in Schwedt die Chance, Mobilität, Stadtgeschichte und Naturraum zu einem komplementären Neben- und Miteinander zu verschmelzen. Die Stadtmodelle werden reaktiviert: durch Stadtreparatur in der Altstadt, durch Aufbau des Schlossvolumens neben dem Theater, durch Belebung der grünen Achse und der Parkanlage Mon Plaisir und schließlich durch die bauliche Vollendung des Zentrums im sozialistischen Stadtmodell für wissenschaftliche und touristische Einrichtungen. Die neue Bedeutung des Bahnhofs führt zu einer städtebaulichen Verdichtung und besseren Anbindung, zugleich werden ehemalige Plattenbaugebiete renaturiert und das Schwemmland wird von Bebauung freigehalten. Durch diese Interventionen und den wachsenden regionalen Tourismus entlang der Oder, mit neuem Hafen, Oder-Stadtbad und Nationalpark, eröffnen sich für Schwedt beste Aussichten – an der Bahnstrecke zwischen Ostsee und Berlin gelegen.