IdeograFie einer Konstellation / STELLA als Ambivalenz zwischen Fantasie und Zukunft
Engere Wahl und nicht prämierte Beiträge
Verfasser
Uwe Schröder Architekt www.usarch.de Team: Akademische Gruppe: RWTH Aachen University, Lehr- und Forschungsgebiet Raumgestaltung, Univ.-Prof. Dipl. Ing. Uwe Schröder, Stud. Mitarbeit: Daniel Müller, Fabian Weis / Professionelle Gruppe: Univ.-Prof. Dipl. Ing. Uwe Schröder Architekt BDA DWB, Matthias Storch, Timo Steinmann, Stud. Mitarbeit: Yannick Meuter, Michael Weyck
TEILBEREICH 1 – „DAS PORÖSE MASSIV ALS VERTIKALER KIEZ: KREUZBERG“
TEILBEREICH 2 – „DIE VERSAMMELTEN TÜRME UND DAS OFFENE FELD: TEMPELHOF“
TEILBEREICH 3 – „DER BLAUE BLOCK ODER DIE STADT NATUR: WARTENBERG“
Erläuterungen der Verfasser
Stella – Sternbild Berlin Brandenburg 2070 – Ideografie einer Konstellation – Ein Beitrag zur fiktionalen Wissenschaft. I / III Metropole. Wir schreiben das Jahr 2070. Die alte Stadt kannte keine Grenzen mehr, nur Peripherien. Die Peripherien vereinnahmten mehr und mehr die Landschaften. Die alte Stadt hatte ihre Fassung verloren. Novum: Eine Stadt hat Grenzen. Die Stadt wächst innerhalb ihrer Grenzen. Die Stadt der Städte wächst innerhalb ihrer Städte: Metropole. Die Metropole kennt nur die Grenzen ihrer Städte. Die Natur trennt die Städte: Landschaft. Die Land-schaften verbinden die Städte. Die Städte haben ihre abgeschlossene Form wiedergefunden. Eine Stadt hat eine Form. Eine Stadt ist überwiegend in-nenräumlich geprägt. Die Stadtlandschaft wurde überwunden, weil sie eine undifferenzierte = ungestaltete Mischung von Stadt und Land bedeutete. Wir haben die Trennung von Stadt und Land wiederhergestellt. Wir haben zur Entmischung von Stadt und Land zurückgefunden. Die Landschaften tren-nen und verbinden. Die Landschaften sind außenräumlich geprägt. Innerhalb von Städten treten Landschaften als städtisch gebundene Außenräume auf. Außerhalb und zwischen Städten treten Landschaften als landschaftlich ge-bundene Außenräume auf. Die Grenzen der Städte wurden neu gezogen. An den Grenzen hören die Städte nicht auf, bei den Grenzen beginnen die Städte ihr Wesen. Die Grenzen der Landschaften wurden neu gezogen. An den Gren-zen hören die Landschaften nicht auf, bei den Grenzen beginnen die Land-schaften ihr Wesen. Eine Stadt besteht aus Quartieren. Quartiere sind ge-mischt, selbstständig, überwiegend innenräumlich geprägt und maßstäblich. Auch die Quartiere haben Grenzen. Städtisch gebundene Außenräume kön-nen innerhalb von Quartieren oder als Grenzen zwischen Quartieren auftre-ten. Mehrere Quartiere bilden einen Stadtteil, mehrere Stadtteile eine Stadt, mehrere Städte eine Metropole. Städte sind rot, Landschaften blau. Die Me-tropole ist eine Konstellation von Städten. Die alte Stadt kannte keine Über-gänge mehr, zwischen Stadt und Land. Die Landschaften wurden mehr und mehr vereinnahmt. Die alte Stadt hatte ihre Fassung verloren. Novum: Die Natur verbindet die Städte: Landschaft. Die Landschaften trennen die Städ-te. Die Peripherie ist Stadt geworden, die „Zwischenstadt“ ist Landschaft ge-worden, die Stadtlandschaft ist Stadt, oder sie ist Landschaft geworden: die Gebiete – Gewerbe, Industrie etc. – sind verschwunden, die Gebiete sind zu Landschaften oder sie sind zu Quartieren geworden, die Gebiete wurden Stadt, Stadt als Mischung. Die Städte nehmen innerhalb der neu gezogenen Grenzen zu, die Städte halten Abstand zueinander, die Landschaften ziehen ein und durch. Die Städte werden dichter, damit die Landschaften zunehmen können. Die Landschaften nehmen innerhalb der neu gezogenen Grenzen zu: mehr Landschaft, mehr Stadt! Eine Stadt zeigt die Form ihrer Landschaft, die Stadtteile die Charaktere ihrer Stadt, die Quartiere die Atmosphären ih-rer Stadtteile. Das Quartier ist maßstäblich, die Stadtteile überschaubar, die Stadt übersichtlich.
Kartenblatt / Legende zu Blatt I / VIII Metropole und zu Blatt II / VIII Städte und Landschaften Red.: Der sogenannte Rot-Blau-Plan stellt eine phänomenolo-gische Kartierung von Räumen vor und weist auf die diesbezügliche räumli-che Differenzierung wie auch auf den Zusammenhang von Architektur, Stadt und Land hin. Indem er topologische und typologische Grundlagen aufzeigt und in der Folge zu analytischen und konzeptuellen Voraussetzungen für das Entwerfen und den Entwurf führt, kann er als Methode und als Instrument be-schrieben und aufgefasst werden. Hier nimmt die Raumgestaltung der Land-schaften, der Städte, der Stadtteile, der Quartiere, der Plätze und Straßen, der Höfe, Zimmer und Wege und auch der Öffnungen ihren Anfang … Architekto-nische Räume, also Innenräume, die den baulichen Grenzen von Wänden ent-lehnt sind und die wegen ihrer Proportionen als solche erscheinen – beispiels-weise als Öffnungen, Zimmer, Höfe, Straßen und Plätze –, werden als „warme“ Räume grundsätzlich in Rot dargestellt; landschaftlich oder städtisch gebun-dene Außenräume, die wegen der Weite, Offenheit und „Leere“ keine archi-tektonischen Raumbildungen sind und als Felder erscheinen – beispielsweise als Landschaften, Parks, Siedlungen, Straßen-, Gleisanlagen und Brachen –, werden als „kalte“ Räume grundsätzlich in Blau dargestellt. Rot: städtisch ge-bundene Innenräumlichkeiten in abgestuften Rottönen nach dem Grad der Umschließung (dunkel- und mittelrot) und möglicher Erweiterungen (hellrot). Blau: landschaftlich und städtisch gebundene Außenräumlichkeiten in abge-stuften Blautönen mit Darstellung der nicht mehr zu erweiternden und / oder rückzubauenden Bestände (dunkelblau). Linie: „passive“ Grenzen: Infrastruk-turen, Gewässer etc.II / III Metropolitane Typologie. Wenngleich die Ideografie zu Stella (auf Blatt I und II) ganz im Zeichen der romantischen (= fantastischen) Idee von einer „Stadt der Städte“ steht, so folgen doch ihre exemplarischen Ausarbeitungen (auf Blatt III bis VIII) hier mehr der rationalen (= vernünftigen) Idee von einer metropolitanen Typologie nach, die der neuen Maßstäblichkeit der kommen-den Metropole mit generischem Charakter Rechnung trägt. Dem Einwand einerseits, diese Ideografie sei doch allzu optimistisch, können wir nur idealis-tisch begegnen, und dem Einwand andererseits, diese Typologie sei doch all-zu pessimistisch, können wir nur realistisch begegnen: Aber gerade diese Am-bivalenz zwischen Fantasie und Vernunft ist Idee, Programm und Konzept von Stella. Von Anfang an haben wir daher nicht nach „den“ drei geforderten Or-ten einer möglichen Intervention gesucht, sondern uns zunächst drei metro-politane Typen ausgedacht und erst in der Folge nach entsprechenden Orten ihrer Platzierung Ausschau gehalten …
III.I. Das poröse Massiv als vertikaler Kiez: Kreuzberg. Die Dichte in der Stadt der Städte hatte mehr und mehr zugenommen, auch in den alten Quartieren. Für die wenigen dort offen geblieben Areale wurden Gebote außer Kraft ge-setzt, Maße erhöht und neue Pläne aufgestellt. Die zu Beginn aufkommenden Widerstände konnten durch politisch initiierte Beteiligungsverfahren nach und nach zerstreut und aufgelöst werden. Nach der metropolitanen Typolo-gie kommen Massive [~695 ft] als autonome Hybriden vor. Allgemeine Einrich-tungen des Wohnens, der Versorgung, der Beschäftigung, der Bildung, der Kultur, des Sports, der Mobilität etc. wurden der funktionalen Disposition der Typologie eingeschrieben. Gemessen an der „urbanen Kapazität“ eines klei-neren Quartiers stellte sich der weitere Verbrauch an Erdboden als vertret-bar heraus. Massive zählen anteilig zur öffentlichen und anteilig zur privaten Räumlichkeit der Stadt, der Stadt der Räume. In der rotblauen Kartierung von Stella erscheinen die Massive in Rot, also generell mit innenräumlicher Ver-fasstheit. Massive verkörpern die neue Maßstäblichkeit der Metropole.
III.II. Die versammelten Türme und das offene Feld: Tempelhof. Die Fragmen-tierung und die Diskontinuität von peripheren Territorien der alten Stadt wur-den nach und nach innenräumlich – mit und an Straßen und Plätzen – ge-bunden, oder sie wurden außenräumlich – als Felder – gebunden und formal konturiert. Als solche Felder kamen verschiedene „städtische Kulturland-schaften“ in Betracht. Man verstädterte die Peripherien, die Peripherien wur-den Stadt. Nach der metropolitanen Typologie treten Türme in Gesellschaft mit Feldern auf. Die Türme konturieren das Feld und finden am Boden mit So-ckel und Block in den städtischen Körper zurück. Die Höhe der Türme [~695 ft] wird von der Weite des Feldes bestimmt. Felder sind stets Außenräume, die als „städtische Kulturlandschaften“ vorkommen. Felder zählen zur öffentli-chen, Türme zur öffentlichen und privaten Räumlichkeit der Stadt, der Stadt der Räume. In der rotblauen Kartierung von Stella erscheinen die Türme in Rot, also generell mit innenräumlicher Verfasstheit, die Felder in Blau, also generell mit außenräumlicher Verfasstheit. Türme und Felder verkörpern die neue Maßstäblichkeit der Metropole.
III.III. Der blaue Block oder die Stadtnatur: Wartenberg. Der scheinbare Ge-gensatz zwischen den beiden überlieferten Vorstellungen von Stadt – zwi-schen dem eher „landschaftlichen“ Wohnen mit und in der Natur einerseits und dem eher „städtischen“ Wohnen an Straßen und Plätzen andererseits – konnte mit Stella nach und nach überwunden werden. Man gab die Stadt-landschaften auf, trennte Stadt und Landschaft voneinander und fügte sie komplementär wieder zusammen: Das ist die Stadt-Natur von Stella. Nach der metropolitanen Typologie nehmen die großen Blöcke im Inneren Felder auf. Hohe Häuser in geschlossener Bauweise konturieren das Feld als städ-tisch gebundenen Außenraum. Die Höhe der Häuser [~139 – 278 ft] wird von der Weite des Feldes bestimmt. Felder sind hier Binnenräume als Außenräu-me, die sich als „städtische Kulturlandschaften“ – beispielsweise als Friedhö-fe, Schrebergärten, Parks, Wälder, Weiden und Wiesen – darstellen. Zwischen den Blöcken erscheinen Straßen und Plätze als Innenräume. Die Häuser gren-zen an Straßen und an Plätze und die Häuser grenzen an Landschaften. Die Binnenfelder zählen zur öffentlichen, die Blöcke, d. h. die Häuser der Ränder, zur privaten Räumlichkeit der Stadt, der Stadt der Räume. In der rotblauen Kartierung von Stella erscheinen die Häuser der Blockränder und die Stra-ßen und Plätze zwischen den Blöcken in Rot, also generell mit innenräumli-cher Verfasstheit, die Felder in Blau, also generell mit außenräumlicher Ver-fasstheit. Blaue Blöcke verkörpern die neue Maßstäblichkeit der Metropole.Stella – Sternbild Berlin Brandenburg 2070