Berlin und Brandenburg sind seit 20 Jahren klimaneutral
Engere Wahl und nicht prämierte Beiträge
Verfasser
Christoph Kohl Stadtplaner Architekten GmbH Standort: Berlin www.cksa.de Team: Victor Joosten, Sara King, Cailin Nikel-Zueger, You Shing Soh, Michael Diestelkamp, Capucine Serennes Landschaftsplanung: Fugmann Janotta und Partner mbB
Teilbereich 1 – „Urbane Dichte und erweitertes Metronetz“, Landsberger Allee
Teilbereich 2 – „Am Stadtrand von Berlin, Grüner Keil“, Bereich Lichtenrade / Rangsdorf
Teilbereich 3 – „Weg vom Speckgürtel“, Brandenburg an der Havel
Erläuterungen der Verfasser
Eine Stadtverwaltung sollte so groß sein wie der gesamte funktional zusammenhängende Stadtraum. Die Bildung Groß-Berlins 1920 war deswegen ein wichtiger und notwendiger Schritt. Weil die Kosten des CO2-Ausstoßes auf zukünftige Generationen verlagert werden, sind die Energiepreise heute niedrig und Autofahren ist unverhältnismäßig günstig. Weil in Berlin zu wenige Wohnungen gebaut werden, sind die Immobilienpreise pro Quadratmeter dort viel höher als im Brandenburger Umland. Weil viel Geld in Autoinfrastruktur fließt, wird weitere Suburbanisierung stimuliert. Die Kombination aus nicht-nachhaltiger Energiebepreisung und Wohnungs- und Infrastrukturbau an den falschen Stellen sorgt für die heutige zunehmende Verflechtung von Berlin und Brandenburg. In einer nachhaltigen Welt gibt es lebenswerte kompakte Städte und viel Platz für die Natur. Diese Stadt ist mit uneingeschränkter Automobilität nicht vereinbar. Viel Platz für die Natur ist nicht vereinbar mit zersiedelten Städten und von Infrastruktur durchschnittenen Landschaften. Die Zersiedelung nach Brandenburg hinein ist unerwünscht, ihr muss entgegengewirkt werden. Eine CO2-Steuer soll Autofahrer von heute für Kosten, die sie später verursachen, zahlen lassen. Es sollen so viele passende Wohnungen in Berlin gebaut werden, bis die Quadratmeterpreise nicht über jenen im Speckgürtel liegen. Investition in Mobilität soll tunlichst dem Fahrrad und dem ÖPNV zugutekommen.
1920 hatte Groß-Berlin 3,8 Millionen Einwohner. Groß-Berlin war auf Wachstum ausgelegt und umfasste Wälder, Wiesen und Raum für Stadterweiterungen. Berlin hat heute 3,6 Millionen Einwohner. Die Grenzen von 1920 müssen also auch bei starkem und kompaktem Wachstum noch lange ausreichen. Da es den Speckgürtel in diesem Ausmaß gar nicht geben sollte, ist es auch nicht notwendig, das Berliner Stadtgebiet nochmals zu erweitern. In einer Demokratie zählt Bürgernähe. Berlin und Brandenburg haben auch aufgrund der Stadtgeschichte, der unterschiedlichen Bevölkerungsdichten und Wirtschaftsstrukturen sowie der Migrationsgeschichte eine unterschiedliche Wählerschaft, was sich in der Parteienlandschaft wiederspiegelt. Sowohl für Berlin als auch für Brandenburg würde eine Zusammenlegung beider Länder einen erheblichen Verlust an Autonomie bedeuten. Ein unerwünschter Speckgürtel, der zudem nur einen kleinen Teil Brandenburgs umfasst, kann deswegen kein Grund sein, Berlin und Brandenburg weitgehend zu verflechten. Gute Zusammenarbeit beider Länder reicht aus. Berlin soll sich nicht länger darauf verlassen, dass Brandenburg den eigenen Wohnungsmangel löst. Es ist irrsinnig, dass im billigen Speckgürtel so viele Wohnungen gebaut werden wie in Berlin, obwohl die Preise zeigen, dass die Nachfrage in Berlin viel größer ist. Auch flächenfressende Gewerbenutzungen kann man nicht einfach in Brandenburg abladen, sondern diesen soll in der Stadt effizient Platz geboten werden. Berlin sollte nachhaltiger mit Flächen und Erschließung umgehen, damit auch mehr Platz für Erholung im Grünen geboten wird. Brandenburg sollte sich vor allem auf die Stärkung seiner eigenen Städte sowie auf die Entwicklung der Landwirtschaft konzentrieren und nicht versuchen, das Wachstum Berlins im Speckgürtel mit Billigangeboten abzuschöpfen. Man sollte sich nichts vormachen, weil ein Global Player sich für Brandenburg entschieden hat. Dabei läuft sowohl Berlin als auch Brandenburg, was Stadt- und Mobilitätsentwicklung betrifft, den Trends hinterher. Es wird, trotz Mobilitäts- und Klimagesetz und vieler schöner Worte, im Prinzip weitergemacht wie im späten 20. Jahrhundert.
Verkehr ist das Synonym für Auto. Der Ausbau des ÖPNV kommt sehr zögerlich voran; Tramlinien, seit Jahrzehnten geplant, werden nicht gebaut. Neue U-Bahn-Linien sind utopisch. Während Berlin um Hunderttausende Einwohner wächst und eine Alternative zum Auto notwendig ist, denkt man klein. Für eine Stadt, die nicht vom Auto abhängig ist, braucht es echte Alternativen: ein flächendeckendes Metronetz in Berlin und ein Hochfrequenz-Bahnnetz, das die Städte Brandenburgs verbindet. Berlin ist zu groß, um nur mit Tram und Rad erschlossen zu werden. Ziel muss es sein, dass jeder zu Fuß einen Metrobahnhof erreichen kann. Dies erfordert eine gewaltige Investition. Die kann beherrschbarer gemacht werden, indem die Metro vorwiegend als Hochbahn gebaut wird. Eine flächendeckende Erschließung Brandenburgs mit ÖPNV ist nicht möglich. Auch in Zukunft wird die Erschließung der ländlichen Räume mit Pkw erfolgen. Dies wird, trotz selbstfahrender Elektroautos, viele Ressourcen verbrauchen und teuer sein. Brandenburg muss seine Städte zukunftsfähig machen, indem diese um die Bahnhöfe konzentriert werden. Das bedeutet auch Rückbau von Vierteln, die nicht zukunftsfähig sind. Die Bahnverbindungen und Taktungen müssen stark verbessert werden. Infrastruktur und Stadtplanung hängen zusammen. Es werden heute aber weiterhin Häuser an Stellen gebaut, wo die Alternative zum Auto unzureichend ist. Es fehlt eine konsequente proaktive Planung, die aufzeigt, wo die dringend benötigten Hunderttausende neuen Wohnungen gebaut werden können. Die Pläne, die es gibt, sind Auflistungen von ad-hoc-Projekten. Viele davon, gerade am Rande der Städte, sind vollständig auf das Auto angewiesen. Es muss ein Plan her, wobei Ausgangspunkt ist, dass nur gebaut werden kann, wenn ein Leben ohne Auto dort realistisch ist. Bei Gewerbegebieten ist die Erreichbarkeit ohne Auto sehr schlecht. Dies liegt nicht nur an dem oft fehlenden ÖPNV, sondern auch an dem ineffizienten Umgang mit Flächen, was zu Weitläufigkeit führt. In der autofreien Stadt von 1920 war das meiste Gewerbe in die Stadt integriert, effizient gestapelt in Gewerbehöfen und Stockwerksfabriken. Unter Berücksichtigung der besseren Hygiene-, Umwelt- und Lärmstandards sollte die Integration dieser Art von Gewerbe in die Stadt zum Leitbild werden. Es ist der Standard, dass der öffentliche Raum – auch in der Innenstadt – als Parkplatz für den ruhenden Verkehr eingerichtet ist. Der Bau von Radwegen erfolgt ohne Normen auf Projektbasis und ist dem Auto klar untergeordnet. Dem Fußgänger verbleibt der Randstreifen. So wird in jeder Straße klar, für wen die Stadt gemacht wurde und welches Verhalten Priorität hat: das Autofahren. In Zukunft werden autonome Autos selbstständig außerhalb der Wohngebiete parken. Bis dahin sollte die Straßenplanung aber auch im Kleinen signalisieren, dass der öffentliche Raum allen gehört und nicht an erster Stelle dem Auto.
Nicht nur Covid-19 und der Klimawandel belegen, dass ein grundlegender Paradigmenwechsel in der Flächenpolitik im Metropolenraum – jenseits der beschriebenen Verdichtung der Städte – erforderlich ist. Es muss eine strategische Flächenpolitik eingeleitet werden, die eine ressourcenschonende, streng auf Nachhaltigkeit angelegte Versorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen priorisiert, in ausreichendem Maße den Bewohnern attraktive Erholungsräume für die siedlungsnahe Erholung beziehungsweise Kurzurlaube zur Verfügung stellt, der einheimischen Flora und Fauna ausreichende und miteinander verknüpfte Lebensräume bietet sowie schließlich eine langfristige Klimaanpassung der Landschafts- und Siedlungsräume im Blick hat. Städte und Land sollen gestärkt daraus hervorgehen – Flächenkonkurrenzen insbesondere im Hinblick auf die Siedlungsentwicklung und damit einhergehende Zersiedelung der wertvollen Landschafts- und Produktionsräume sollen durch eine Besinnung auf die jeweiligen Stärken vermieden werden. Im Zentrum stehen eine zielorientierte Widmung der Flächen und der administrative Zugriff auf Flächen – selbstverständlich unter Mitnahme der Bevölkerung und der heutigen Flächeneigentümer. Der kommunale Zweckverband Groß-Berlin und als dessen Rechtsnachfolger die Stadt Berlin haben es – nicht zuletzt auch auf Druck der Öffentlichkeit – beispielhaft und in einer großen finanziellen Kraftanstrengung ab 1915 vorgemacht: im Aufkauf von Wäldern zur Erholungsvorsorge der Stadtbevölkerung und in einer Verpflichtung zu deren dauerhaftem Erhalt durch den Dauerwaldvertrag vom 27.03.1915, der bis heute seine Gültigkeit hat. Schwerpunkt ist die Entwicklung der stadtnahen Flächen – für den Verlust von Kleingärten, die aktuell wieder eine hohe Nachfrage erleben, sollten entlang der Stadtgrenze Kleingartenparks ausgewiesen werden, die allen Menschen attraktive Erholungsflächen bieten. Wiewohl in den Neubaublöcken innerhalb der bestehenden Stadt mit begrünten Höfen, Fassaden und Dächern ohnehin für eine hohe Biodiversität gesorgt ist. Kleinräumige ‚Metropolengärten‘ dienen dem ökologischen Anbau von Grundnahrungsmitteln und Obst sowie der Weidehaltung und damit der unmittelbaren Versorgung der städtischen Bevölkerung. An Verkehrsknoten befinden sich große Zuchtanlagen in Glashäusern für exotische Pflanzen und intensive Tierhaltung, deren energieintensive Bewirtschaftung über Windkraftanlagen und Solarthermie betrieben wird. Aus den verschiedenen Urwäldern heraus reichen Keile von ökologisch wertvollen Landschaftsstrukturen bis tief in die Städte; die heutigen Forst- Monokulturen, die durch den Klimawandel ohnehin kaum Zukunft haben, werden in vielfältig strukturierte Produktionswälder umgewandelt und stehen damit auch der Erholung zur Verfügung. In den siedlungsferneren ländlichen Räumen sind weiterhin großräumige Landwirtschaftsflächen und Produktionsanlagen für die Energieerzeugung zwischen den Naturflächen konzentriert. Diese Kraftanstrengung muss durch die Länder Berlin und Brandenburg erneutaufgebracht werden. Eine neue Flächenpolitik muss eine dauerhafte Vorsorge für die regionale Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und für die Erholung im Metropolenraum und in der Umgebung der brandenburgischen Städte gewährleisten. Wie die Flächenagentur Brandenburg es in Bezug auf Flächen mit Schutzstatus bzw. auf Flächenpools für A + E-Maßnahmen macht, muss es eine Agentur geben, die mit den Flächeneigentümern verhandelt und gezielt Flächen für die Vorsorge aufkauft. Zudem sind die administrativen und finanziellen Rahmenbedingungen der Regionalparks um Berlin zu stärken.