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nicht prämiert Phase 2 Wettbewerb

Die Welteninsel Berlin Brandenburg 2070 – Vom Stern zur Galaxie

Engere Wahl und nicht prämierte Beiträge

Verfasser

MLA+ Berlin (Müller Michael Architekten PartGmbB) / MLA+ Rotterdam (MLA+ B. V.) /
manufacturing cities Hamburg / HOSPER landschapsarchitectuur en stedenbouw
Standort: Berlin / Hamburg / Rotterdam
www.mlaplus.com
www.manufacturingcities.com
www.morelandscape.nl
Team: Markus Appenzeller, Martin Probst, Christoph Michael, Maximilian Müller, Robert Younger, Ildar Biganyakov, Kai Michael Dietrich
Fachplanung weiterer Disziplinen: MORE Landscape (Hanneke Kijne, ehem. Hosper landschapsarchitectuur en stedenbouw),
Martin Aarts, Uli Hellweg, Studio Amore (Burke Harmel Jank GbR), Sven Kröger

DENKMODELL 1

DENKMODELL 2

DENKMODELL 3

DENKMODELL 4

DENKMODELL 5

DENKMODELL 6

Erläuterungen der Verfasser

Die Welteninsel Berlin Brandenburg 2070 – Vom Stern zur Galaxie: Vieles ist heute unsicher. Wie werden wir in 50 Jahren leben? Wie wird der Klimawan-del unsere Städte verändern? Wie werden Städte geführt? Diese Fragen las-sen sich nur schwer für lange Zeiträume zuverlässig definieren. Technologie, Urbanisierung und sozio-ökonomische Entwicklungen verändern Agglomera-tionen immer schneller, und eine Veränderung dieser Dynamik scheint un-wahrscheinlich. Berlin und sein Umland sind beides: gebaute – oder eben nicht gebaute – Realität, aber auch Lebensgefühl und Denkweise. Gerade die letzten 100 Jahre und gerade Berlin zeigen, dass sich das Gebaute und das Geplante radikal, geradezu revolutionär verändern können. Berlin und Brandenburg als Denkbilder – als State of Mind – entwickeln sich evolutionär. Sie verbinden mühelos Fontane und Berghain, Humboldt und Scharoun oder Schinkel und Eberswalde. Was muss eine Zukunftserzählung 2070 für Berlin und das Brandenburger Umland darum leisten? Wir meinen: Sicher etwas an-deres als die Leitbilder des Wettbewerbs von 1910. Sie muss nicht präzise räumliche Vorgaben machen, sondern vor allem Denkbilder erzeugen. Diese Bilder nehmen das spezielle Berlin-Brandenburger Lebensgefühl auf, stärken es und erweitern es wo notwendig. Sie laden das, was diese Region ausmacht, positiv auf. Deshalb verzichtet unser Vorschlag auf detaillierte Pläne und er-setzt sie durch sechs strategische Narrative, die zu einem großen Gesamtbild zusammengeführt werden.

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Ausstellung Raum 8

Ungeliebte Hauptstadt?

Schaufenster Deutschlands 

BAND DES BUNDES IM BERLINER SPREEBOGEN
Der Spreebogen ist der bedeutendste Regierungsstandort, den Groß-Berlin in seiner Geschichte zu bieten hat: Sitz des Reichstags in der Kaiserzeit, Zentrum der Republik in den 1920er Jahren, geplanter Standort der Großen Halle der NS-Diktatur, des größten Gebäudes Berlins und zentralistischen Taktstocks der nationalsozialistischen Reichshauptstadt, nach der Spaltung ein Randgebiet im Wartestand und heute Heimat des Bandes des Bundes, des wichtigsten Auftritts des Staates in seiner Hauptstadt. Der Spreebogen ist der jüngste der großen Regierungssitze Berlins, weit jünger als das Schlossareal und jünger als der Standort Wilhelmstraße. Er verdeutlicht die Westwanderung des räumlichen Schwerpunkts staatlicher Repräsentanz in Berlin.
Foto Philipp Meuser, 2020

Im Jahr 1920 war die Stadt Berlin nicht einmal ein halbes Jahrhundert Deutschlands Hauptstadt. Sie war alles andere als die unumstrittene Mitte eines großen europäischen Staates wie etwa London und Paris, sie war eher wie Rom und Moskau eine junge Hauptstadt, deren Ruf nicht immer der beste war. Im Groß-Berlin-Gesetz von 1920 gab es keine Bestimmungen, die ihren Status als Hauptstadt der jungen Weimarer Republik eindeutig regelten. Dennoch gestaltete der Gesamtstaat seither die Entwicklung der Metropole entscheidend mit. Heute prägen Bundesprojekte nicht nur die öffentlichen Debatten, sondern zunehmend auch das Bild der Hauptstadt. Staat schafft Stadt, mal zur Freude, mal zum Ärger der Berliner – wie schon seit Jahrhunderten. Neu aber ist, dass die Hauptstadt Berlin im Ausland durchaus beliebt ist, als heiteres und tolerantes Schaufenster eines nicht immer geschätzten Staates. 2021 darf Berlin sich schon wieder erinnern – an 150 schwierige Jahre als deutsche Hauptstadt.

Die Weltgeltung und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Staates hängt in starkem Maße von dem Gesicht und der Geltung seiner Hauptstadt ab. […] Nach dem Eindruck, den die Reichshauptstadt auf das Ausland macht, wird Deutschland und seine Bedeutung für die Welt beurteilt. […] Berlin betrachtet seine Aufgaben nicht unter einem örtlichen Gesichtswinkel, sondern vom Standpunkte des ganzen Deutschlands.

Die Fremdenverkehrswerbung für Berlin (hat) mit einer stimmungsmäßigen Gegnerschaft im Reiche gegenüber Berlin zu rechnen […]. Es geht Berlin wie New York in Amerika. Man bewundert sein rasches Wachstum, aber man liebt es noch nicht. Die Vorurteile gegen die deutsche Reichshauptstadt zu zerstreuen, ist eine Hauptaufgabe der Berliner Fremdenverkehrswerbung.

Gustav Böß, Oberbürgermeister 1919–1929
Berlin von heute.
Stadtverwaltung und Wirtschaft.
Berlin 1929

Standorte für Parlament 
und Regierung

1920 gab es in Berlin drei stadtprägende Standorte staatlicher Präsenz: das Schloss der Hohenzollern, eigentlich ein preußisches Bauwerk, die Wilhelmstraße als Symbol staatlichen Regierungshandelns und den Königsplatz, Ort des Reichstagsgebäudes, des mächtigsten Bauwerks des deutschen Staates in Berlin. Das Schloss, ein Meisterwerk einer über Jahrhunderte agglomerierten Architektur, hatte im späten 19. Jahrhundert längst die Rolle als alleiniges Zentrum der Herrschaft verloren. Die Wilhelmstraße stieg zum offiziellen Regierungszentrum des neuen Reichs auf, zum Synonym der deutschen Reichsregierung schlechthin. Mit dem Bau des Generalstabsgebäudes von 1867 bis 1871, der „Seele des Heeres“, begann die Ansiedlung von staatlichen Herrschaftsfunktionen im Spreebogen, die mit dem Bau des Reichstagsgebäudes von 1884 bis 1894 ihren Höhepunkt und vorläufigen Abschluss fand.

Spreebogen

Kein anderer Ort vermittelt die wechselvolle Geschichte staatlicher Präsenz in Berlin so eindringlich wie der Spreebogen – Spiegel republikanischer, diktatorischer, alliierter und nun wieder demokratischer Herrschaft in der Stadt.

„Reichshaus“ am Königsplatz, Entwurf von Otto Kohtz, 1920. Das monumentale, pyramidenartig gestufte Bürohochhaus sollte Reichsbehörden Raum bieten.
AM TUB, Nr. 9063
Das Bundeskanzleramt, 2019. Der hohe Bau wird von manchen Berlinern „Waschmaschine“ genannt. Im Vordergrund die Moltkebrücke.
Foto Thomas Spier, apollovision
Hauptstadtspaß an der Spree, 2019. Am südlichen Ufer der Spree, unterhalb von Bundeskanzleramt, Schweizer Botschaft und Paul-Löbe-Haus, liegt ein beliebter Stadtstrand.
Foto Thomas Spier, apollovision
Der neue Reichstag, Sitz des Bundestags, von der Marschallbrücke aus gesehen, 2019.
Foto Thomas Spier, apollovision

Wilhelmstraße

Im Kaiserreich bildete sich entlang der Regierungsmeile Wilhelmstraße eine auch von der Öffentlichkeit wahrgenommene Differenzierung in eine westliche „Reichsseite“ und eine östliche „Preußenseite“ heraus. Nach dem Zweiten Weltkrieg war dort – im wichtigsten Gebäude des Staates – der Hauptsitz der DDR-Regierung.

Bundesministerium der Finanzen, ehemals Haus der Ministerien, 2019. Die wechselvolle Geschichte des Hauses ging weiter: Seit 1990 ist es Sitz des Bundesfinanzministeriums, 1992 nach dem von der RAF ermordeten Präsidenten der Treuhandanstalt auch Detlev- Rohwedder-Haus genannt. Ende 1992 wurde durch das Bundesbauministerium der Abriss des Großbaus erwogen.
Foto Thomas Spier, apollovision
Sitz des Bundesrats an der Leipziger Straße, nahe der Wilhelmstraße, 2019. Der 1904 errichtete Bau diente bis 1918 als Sitz der Ersten Kammer des Preußischen Landtags, in der Weimarer Republik als Sitz des Preußischen Staatsrats. In der NS-Zeit wurde er dem Reichsluftfahrtministerium zugeordnet. Im Jahr 2000 zog der Bundesrat ein.
Foto Thomas Spier, apollovision

Schlossareal

Das Schloss verlor 1918 mit dem Ende von Krieg und Kaiserreich seine Funktion als Herrschaftssitz. Ab den 1920er Jahren diente es vor allem als Museum. In der DDR-Zeit wurde die Ruine des Schlosses 1950 gesprengt. An seiner Stelle entstand ein Staatsforum der DDR. Heute erlebt das Schloss als Humboldt Forum seine – durchaus umstrittene – Wiederauferstehung.

Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, errichtet nach Plänen von Josef Kaiser und anderen 1964 – 1967, abgerissen 1995 / 96.
Foto Jacob Stefane, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Nr. 377231
Humboldt Forum, 2020. Das Hauptportal und die Kuppel sind noch eingerüstet – im September 2020 sollte das Haus (in Teilen) eröffnet werden. Im Mai 2020 wurde die coronabedingte Verschiebung der Eröffnung bekannt gegeben.
Foto Thomas Spier, apollovision
Auswärtiges Amt, Thomas Müller Ivan Reimann Architekten, gebaut 1996 – 1999, Foto 2020. Der Neubau wurde als Kopfbau vor den prominenten Altbau gesetzt, eine Erweiterung der ehemaligen, 1934 – 1940 nach Entwürfen von Heinrich Wolff errichteten Reichsbank. Dieser frühe Bau der NS-Diktatur war ab 1958 als Sitz des Zentralkomitees der SED das eigentliche Machtzentrum des DDR-Staates.
Foto Thomas Spier, apollovision

Geschenkt: Kulturbauten

Der Gesamtstaat hat in seiner Hauptstadt aber nicht nur für sich gebaut, sondern auch die Kultur bereichert. Zu den Geschenken des Bundes gehören heute unter vielen anderen die neue Bauakademie, das Museum für Gestaltung für das Bauhaus-Archiv, das Freiheits- und Einheitsdenkmal, das Humboldt Forum und natürlich das Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum. Nicht immer sind diese Geschenke gern gesehen, oft sind sie umstritten, summa summarum bereichern sie aber die Metropole.

Museumsinsel, 2020. Als letzter Baustein des UNESCO-Weltkulturerbes kam 2018 die James-Simon-Galerie hinzu. Der Neubau dient als Bindeglied zwischen den fünf Museen auf der Insel; er stammt wie schon die Restaurierung und der Umbau des Neuen Museums von David Chipperfield Architects.
Foto Thomas Spier, apollovision
Museum für Gestaltung für das Bauhaus- Archiv, geplante Fertigstellung 2022. Staab Architekten gewannen den Wettbewerb 2015 mit einem markanten Turm, unterirdischen Museums- und Veranstaltungsräumen, die Alt- und Neubau verbinden, sowie einem tiefgelegten Garten. Staab Architekten
Neue Bauakademie. Der Zustand im Januar 2020 zeigt die rekonstruierte Ecke der im Zweiten Weltkrieg nur wenig zerstörten, aber 1961 / 62 zugunsten des Außenministeriums der DDR abgebrochenen Bauakademie. Der ursprüngliche Bau entstand von 1832 bis 1836 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel. Aus der Bauakademie ging die heutige TU Berlin hervor. Um Gestalt und Nutzung eines Neubaus entbrannte ein langer Streit, der mit „so viel Schinkel wie möglich“ beantwortet wurde.
Foto Thomas Spier, apollovision
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Phase 2 Preisträger Wettbewerb

ARCHIPEL – LABOR: EIN ATLAS VON URBANEN INSELN FÜR BERLIN

5. Preis

Verfasser

Pedro Pitarch
Standort: Madrid
www.pedropitarch.com
Pedro Pitarch, Gonzalo Rojas, Maria Escudero
Landschaftsplanung: Pedro Pitarch
Fachplanung weiterer Disziplinen: Rafael Zarza (Graphics)

TEILRAUM 1: „NEU-SÜDKREUZ“

Das Südkreuz als großstädtischer Infrastrukturknoten bedient die Region, versteht sich aber auch als Tor zur Welt; der Ort ist lokal und global zugleich. Zurzeit ist der Bahnhofsbereich von Verkehrstrassen dominiert, die eine „transitorientierte Gemeinschaft“ nicht abbilden. Die vorhandenen Restflächen und Brachen lassen keine Ordnung erkennen. Der Entwurf sieht eine Freistellung des Bahnhofs mit multifunktionalen Angeboten vor. Räumlich gefasst wird der freigestellte Stadtraum durch bauliche Ergänzungen mit umliegenden Wohnquartieren und experimentellen Gebäudetypen mit hohem Verdichtungspotenzial. Der Bereich um den Bahnhof wird zur gestalteten Platzfläche. Ein Ort von dieser Funktionsvielfalt erfordert mehrere Ebenen, die auch automatisierte, individuelle Verkehrssysteme (fliegende Taxis, Monorailsysteme, Seilbahnen) berücksichtigt.

TEILRAUM 2: TXL – „URBAN TECH REPUBLIK“

Die offene Fläche eines Flughafens ist wie eine „Insel“ – ein Ort, der sich in seiner Dimension den Anwohnern nicht erschlossen hat. Mögliche Grundlagen für Entwicklungsplanungen sind hier nicht die traditionellen Planungsinstrumente, es sind informelle Instrumente, wie zum Beispiel „Protokolle“, die temporäre Vorhaben definieren. Der Entwurf benutzt futuristische Objekte und collagiert sie zu räumlichen Konglomeraten, die einen neuen „Industrie 4.0“-Standort abbilden. Trotzdem bleibt die Ordnung des Flughafens erhalten, indem die Landebahn in ihrer räumlichen Struktur als Standort von Produktionsstätten vorgesehen wird. Das dreidimensionale Bild des Standorts TXL ist nicht als bauliche Vorgabe für die nächsten 50 Jahre entwickelt, es sind „informelle Formen des Urbanismus, die auf einem flüchtigen Charakter der Ereignisse beruhen“. Hier soll ein Experimentierfeld für den Städtebau entstehen.

TEILRAUM 3: „KÖNIGS WUSTERHAUSEN“ (KW)

Die Stadt wurde als Wohn- und Schlafstadt in den letzten Jahren sehr beliebt. Der öffentliche Nahverkehr ist mit dem S- und Regionalbahnanschluss gut getaktet. Die Anbindung über die Autobahn A 10 nach Berlin und über die A 13 nach Dresden und Cottbus begünstigt den motorisierten Individualverkehr. Die Landschaft bietet ausgezeichnete Freizeitangebote mit den Seen rund um den Müggelsee im Norden und der Heideseenlandschaft im Süden. Der Stadtbereich zerteilt sich in die Quartiere um das Schloss, das Bahnhofsviertel und das Wohnquartier zwischen Cottbuser und Luckenwalder Straße. Durch die Nähe zum BER kommt ein Standortvorteil hinzu, der im Stadtbild keine Entsprechung findet. Der Entwurf behandelt die Nachverdichtung der Plattenbausiedlung unter dem Gesichtspunkt „Wohnen und Arbeiten“, die räumliche Verbindung der drei genannten Bereiche und die Schaffung von öffentlichen Räumen im Zusammenspiel mit kommunalen Einrichtungen. Ziel der Interventionen mit architektonischen Mitteln ist es, den urbanen Charakter in einen Zusammenhang von öffentlichen und privaten Räumen zu stellen. KW soll, während es wächst, eine unverwechselbare Identität erhalten.

Erläuterungen der Verfasser

ARCHIPEL LABOR: EIN ATLAS VON URBANEN INSELN FÜR BERLIN
Die zeitgenössische Stadt wird nicht mehr durch Pläne definiert. Die Planung hat aufgehört, eine effektive Disziplin in der Erzeugung des Urbanismus und in der Städteproduktion zu sein. Sie hat aufgehört, Instrumente und urbane Modelle bereitzustellen, die an die Bedürfnisse von Gesellschaften im ständigen Wandel angepasst sind. Der Archipel bietet einen neuen Entwurf, ein neues Stadtmodell für die europäische Metropole. Der Archipel unterscheidet Fragmente einer Stadt, die urbanen Inseln, die sich aus der Spannung zwischen einem Kontext und der sie umgebenden urbanen Masse ergeben. Die Inseln sind Prototypen der Stadt in der Stadt. Eine Reihe von aufkommenden urbanen Bedingungen, die in unseren Städten latent vorhanden sind, aber noch nicht ordnungsgemäß in die Planung einbezogen wurden. Jedes Stück, jede Szene, jede Insel verhält sich wie ein Labor. Wir etablieren eine Laborsituation der Stadt als Archipel. Dieses Projekt schlägt eine Neuinterpretation der Städteplanung vor, die nicht nur auf der quantitativen Bewirtschaftung des Stadtgebiets beruht, sondern auch auf der Definition von Verbindungen und Beziehungsnetzen zwischen urbanen Eigenschaften.

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Phase 2 Preisträger Wettbewerb

LANDSCHAFT DER UNTERSCHIEDE

4. Preis

Verfasser

Thomas Stellmach Planning and Architecture /
fabulism GbR
Standort: Berlin / Berlin
www.tspa.eu
www.fabulismoffice.com
Team: TSPA: Filippo Imberti / Anke Parson / Alessandra Sammartino / Aurelija Matulevičiūtė / Isabell Enssle
Landschaftsplanung: Lysann Schmidt Landschaftsarchitektur
Fachplanung weiterer Disziplinen: Melissa Gómez (Beraterin für nachhaltige Mobilität und urbane Innovation), Marcus Andreas (Berater für Nachhaltigkeit), Florian Strenge (Berater für Urbanismus & Design-Prozesse)

TEILRAUM 1: „SCHNITTPUNKT STADT ORANIENBURG“

Vorhandene Restflächen, die offene Bauweise in der Innenstadt und die integrierte Landschaft eignen sich für eine Nachverdichtung. Mit Bezug auf die drei Entwicklungsszenarien „sichere Gesellschaft“, „globale Gesellschaft“ und „neoökologische Gesellschaft“ werden geeignete Standorte bestimmt, die auch verschiedenste kulturelle Einrichtungen aufnehmen können und eine ökologische Entwicklung zulassen. Dabei steht die Integration ökologischer Korridore eines städtischen Wassermanagements im Mittelpunkt der Planung. Südlich des S-Bahnhofs wird ein neues Stadtquartier mit ausgedehnten Freizeiteinrichtungen vorgesehen. Im nördlichen Innenstadtbereich werden Gewerbeflächen verdichtet und ein „Biopark“ angegliedert. Kleinere Projekte wie ein Flussbad, ein Wasser-Hub zur Energiegewinnung an der Schleusenanlage oder ein schwimmendes Theater in der Havel sowie viele andere kleine Eingriffe werten die Wasserlandschaft auf und machen Oranienburg attraktiver. Dies wird nicht nur neue Bewohner anziehen, sondern auch Gewerbe, Dienstleistungsunternehmen und Produktionsstätten, die sich in den Maßstab der Stadt und in die Landschaft integrieren sollen.

TEILRAUM 2: „SCHNITTPUNKT TREBBINER WASSERLANDSCHAFT“

Der Landkreis Teltow-Fläming gilt als außerordentlich produktiver Standort für landwirtschaftliche Erzeugnisse im Metropolenraum. Die flächendeckende Landwirtschaft führt zwangsläufig zu Umweltbelastungen, die durch den umweltbewussten Umbau der Produktionen in einen Regionalpark münden könnten, der Bestandteil übergeordneter ökologischer Korridore wird. Grundlage muss der Schutz der vorhandenen Biosysteme sein. Die Landschaft und die Gewässer müssen in einen unbelasteten Zustand zurückgeführt werden, um die Nahrungsmittelproduktion kontrolliert kleinteiliger zu organisieren. Wasser ist ein hohes Gut, dass einer permanenten Pflege bedarf. Wasserspeicherung, -infiltration, -reinigung und -verteilung sind Bestandteile eines Kreislaufs, der zur Eigenversorgung des Metropolenraums beiträgt. Regionalparks wie in Trebbin sollen weiterhin Gewerbe- und Dienstleistungsstandorte wie auch industrielle Produktionsstätten aufnehmen, sie sollten jedoch das biologische Gleichgewicht fördern und nicht belasten.

TEILRAUM 3: „KREUZBERGER KONFETTI“

Das Entwurfskonzept soll verdeutlichen, dass selbst Quartiere, die mit einer herausgehobenen Kiez-Kultur aufwarten, durch Nachverdichtung und Bearbeitung der Grünflächen vorbildhafte Funktionen für andere Quartiere haben können. Ausgehend von der Rekultivierung und Renaturierung des ehemaligen Luisenstädtischen Kanals werden die vorhandenen Grünräume in Beziehung gesetzt. Böcklerpark, Waldeckpark und Mariannenplatz werden über intensiv begrünte Wegenetze mit dem Landschaftspark am Kanal verbunden. Die vorgeschlagenen baulichen Ergänzungen tragen dazu bei, dass die Straßenräume gefasst werden und ihre Blockwirkung gestärkt wird. Belastete Durchgangsstraßen wie die Linden- und die Skalitzer Straße bleiben erhalten; andere wie die Heinrich-Heine-Straße und die Oranienstraße werden mit gesicherten Spuren für Fußgänger, Fahrräder und Pkw ausgebildet. Grundsätzlich gilt aber, dass der Verkehr aus dem Inneren der Blöcke herausgenommen wird.

Erläuterungen der Verfasser

Landschaften der Unterschiede – Es ist vergebens, die politischen, kulturellen oder wirtschaftlichen Entwicklungen der nächsten 50 Jahre vorherzusagen. Um dies zu erkennen, genügt ein Blick in die Vergangenheit. Es gibt jedoch Herausforderungen, von denen wir wissen, dass sie weit über 2070 hinausreichen werden. Wir wissen, dass sich das Klima verändern und dass Brandenburg im Schnitt wärmer und trockener werden wird. Wir wissen, dass dies Folgen für die Nahrungsmittelproduktion und die Biodiversität haben wird und dass sich die Strukturen in Industrie, Land- und Energiewirtschaft an-passen werden müssen. Auch Landschafts-, Wasser- und Biosysteme werden sich wandeln. Diese Transformation wird Jahrzehnte dauern. Sie kann auf den Stärken von Berlin-Brandenburgs Landschaft aufbauen: den Seen und Flüssen als Rückgrat einer Kulturlandschaft, die sich durch Heterogenität und Polyzentralität auszeichnet. Wir schlagen vor, einen langfristigen Transformationsprozess dieser Systeme anzustoßen, um eine widerstandsfähige und produktive Zukunft Brandenburgs und Berlins sicherzustellen. Diese Transformation schafft den Rahmen, in dem sich das Leben der Bürger in seinen gesellschaftlichen und ökonomischen Facetten frei und zukunftssicher entfalten kann. Beginnend mit den Ökosystemen Brandenburgs bildet sie die Grundlage für systemischen und nachhaltigen Wandel. Dieser Transformationsprozess schlägt sich in vier Landschaften nieder.

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Phase 2 Preisträger Wettbewerb

STERNARCHIPEL BERLIN-BRANDENBURG

3. Preis

Verfasser

Jordi & Keller Architekten / Pellnitz Architektur und Städtebau
Standort: Berlin
www.jordi-keller.de
www.pellnitz.de
Team: M. Eng. Yannick Langer, Dipl.-Ing. Nandor Kovac, Frederic Jordi
Landschaftsplanung: Christina Kautz Landschaftsarchitektur
Fachplanung weiterer Disziplinen: Ludwig Krause (Verkehrs- und Stadtplaner)

TEILRAUM 1: „BRANDENBURG AN DER HAVEL

Mit dem geplanten Ausbau des 3. und 4. Eisenbahnrings im Metropolenraum ist eine Nachverdichtung von Brandenburg an der Havel um die doppelte Einwohnerzahl vorstellbar. Ziel der Planung ist eine Stadtentwicklung, die unter Berücksichtigung der historischen Identitäten eine engere Durchdringung von Stadt und Natur befördert. Zwischen Neustadt und Bahnhof wird der bauliche Bestand mit der Schließung von Blöcken strukturell ertüchtigt. Dabei bleiben die baulichen Anlagen innerhalb der Blöcke weitgehend erhalten. Potenzielle Entwicklungsflächen werden im Südwesten des Bahnhofs und im Westen der Altstadt bis an die Bahnlinie geführt. Auch südlich des Bahnhofs, entlang des Jakobsgrabens, wird die vorhandene offene Bauweise durch straßenständige Bebauung verdichtet. Die erweiterte Blockstruktur trägt zu einer deutlichen Harmonisierung der Stadtstruktur aus der
Vogelperspektive bei.

TEILRAUM 2: „WESTKREUZ“

Das Aufeinandertreffen der Verkehrssysteme mit ihren Richtungswechseln erzeugt beim derzeitigen Verkehrsaufkommen, speziell zu Stoßzeiten, erhebliche Staus und Überlastungen der baulichen Anlagen. Die AVUS, die erste reine Autostraße der Welt und ehemals bedeutende Autorennstrecke, wird in diesem Konzept als Boulevard ausgebildet. Der Autoverkehr wird unterirdisch geführt, der Bahnverkehr oberirdisch. Die Gleisanlagen werden zu einer Grünanlage umgestaltet, die den nahen Lietzenseepark mit dem Grunewald verbindet. Die Nordkurve nimmt ein neues Fußballstadion auf. Die städtebaulichen Ergänzungen folgen der Charlottenburger Blockstruktur. Das dominierende Element soll ein Tor aus zwei Hochhäusern mit einer Höhe von bis zu 200 Metern sein, das auch an den drei anderen Bahnhöfen entstehen soll.

TEILRAUM 3: BERLIN-MITTE

Nur wenige Entwurfsverfasser haben ihren Blick auf Berlin-Mitte gelenkt. Das Zentrum ist der historischen Mitte um 1920 angenähert. Teile der angrenzenden Königsstadt werden ebenfalls mit dem Stadtgrundriss von 1920 ergänzt. Die Stralauer Vorstadt wird straßenbegleitend mit großformatigen Wohnungsbauten verdichtet. Die Entwurfsabsicht unterstützt die Vorstellung von einer Stärkung der historischen Mitte mit einem – in der aktuellen Planung nicht vorgesehenen und fachlich umstrittenen – rekonstruierten Stadtgrundriss und zusätzlichen Kultureinrichtungen. Der vorhandene Wohnungsbau soll eine „Koalition“ mit dem rekonstruierten Stadtgrundriss eingehen. Die Idee von Peter Joseph Lenné, „Schmuck- und Grenzzüge“ in die Stadt zu integrieren, wird wieder aufgegriffen. So sieht der Entwurf vor, dass das Engelbecken in Kreuzberg über den Strausberger Platz bis zum Volkspark Friedrichshain weitergeführt wird. Der Wasserlauf soll beidseitig als Grünraum mit Alleen und Aufenthaltsflächen ausgestaltet werden.

Erläuterungen der Verfasser

STERNARCHIPEL BERLIN-BRANDENBURG 2070 – STÄDTEBAULICHES ENTWICKLUNGSKONZEPT
Berlin-Brandenburg ist aus verschiedenen Dörfern und Städten entstanden. Diese Entwicklung hat zu einem Archipel von Zentren innerhalb und außer-halb Berlins geführt, die durch sternförmig ausgehende Radialen und Bahnringe miteinander verbunden sind. Innerhalb des „Hundekopfes“ ist die Struktur durch Grüninseln im dichten, großstädtischen Häusermeer, außerhalb durch Siedlungsinseln in Grün- und Naturräumen geprägt. Zwischen den Strahlen der sternförmigen Entwicklung Berlins ragen die großen Landschaftsräume bis weit in die Mitte der Metropolregion hinein. Dieser Sternarchipel mit seiner Dialektik von Bebauung und Natur stellt eine der stärksten Qualitäten und eines der größten Potenziale der Metropolregion Berlin-Brandenburg dar, die es zu festigen und weiterzuentwickeln gilt. Neue Bau- und Wohnflächen sollen vor allem innerhalb dieser Struktur als Konversion, Verdichtung und Qualifizierung von bestehenden Siedlungsflächen entstehen. Das aktuelle Leitbild eines Siedlungssterns für die Metropolregion Berlin-Brandenburg wird mit dem hier vorgeschlagenen Leitbild des Sternarchipels erweitert und differenziert. Der Begriff des Siedlungssterns und auch seine Visualisierung im Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg evozieren eine uneingeschränkte Verdichtung innerhalb des Siedlungssterns und berücksichtigen damit nicht seine vielfältige Durchdringung mit Naturräumen. Der Begriff des Sternarchipels, der sowohl an das Konzept von Berlin als „grünem Archipel“ als auch an Ideen des Groß-Berlin-Wettbewerbs von 1910 an-knüpft, will diese dialektische Durchdringung von Stadt und Natur als neues Leitbild vorschlagen.

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Phase 2 Preisträger Wettbewerb

STADTLANDSCHAFT BRANDENBURG-BERLIN 2070 – KONTUR EINER ÜBERGANGS-GESELLSCHAFT

2. Preis

Verfasser

KOPPERROTH / SMAQ / Alex Wall
Standort: Berlin / Berlin / Cambridge (USA)
www.kopperroth.de /
www.smaq.net /
www.alexwall.com
Team: Evelina Faliagka, Moritz Maria Karl, Dominik Renner
Landschaftsarchitektur: Dipl.-Ing. Stefan Tischer, freischaffender Landschaftsarchitekt
Fachplanung weiterer Disziplinen: Office MMK – Urban Technologies

TEILRAUM 1

An den Rändern der Siedlungsstrahlen werden Flächen in kleinteilige Parzellen gegliedert, um diese mit unterschiedlichen Nutzungen zu füllen. Mit diesen Maßnahmen wird nicht nur die intensive Landwirtschaft befördert, sondern auch die besiedelten Flächen werden räumlich gefasst. Diese Parzellen, gegliedert durch ein engmaschiges Wegenetz, erzeugen parkartige Landschaften. Vorhandene Siedlungen werden ergänzt und neue Entwicklungsbereiche für Wohnen, Freizeiteinrichtungen oder Energieprojekte in ein räumlich definiertes Umfeld gesetzt. Diese Zwischenlandschaft kann als ein Experimentierfeld für den ökologischen Landbau, für dezentrale Energieversorgung und alternative Siedlungsflächen genutzt werden, das gleichzeitig einer Zersiedelung des Umlands entgegenwirkt. Durch die Markierung besonderer Orte, die chiffrenartig als Kreise dargestellt werden, können Sondernutzungen, wie kleine Siedlungen, landwirtschaftliche Betriebe oder Energieanlagen, in den Landschaftsraum platziert werden.

TEILRAUM 2

Abgeleitet aus der räumlichen Ordnung von Kleingärten werden „Parzellengrößen“ von 150 × 150 Meter definiert. Jedes dieser Cluster kann unterteilt und erweitert werden, um unterschiedliche Nutzungen aufzunehmen; die Energie- und Wasserversorgung wird dezentral und in kollektiver Selbstverwaltung organisiert. 50 Prozent jeder Parzelle müssen land(wirt)schaftlich bewirtschaftet werden, um den Charakter einer Parklandschaft zu erhalten. Die Einfriedung der „Parzellen“ erfolgt durch Mulden und Senken, die den Rückhalt und die Versickerung von Oberflächenwasser entlang des Wegesystems aufnehmen. Durch Baum- und Heckenpflanzungen entstehen Naturkorridore, die das Mikroklima verbessern. Das vorgezeichnete Raster bildet das öffentliche Wegenetz ab. Die Parzellen werden durch Konzeptbewerbungen in Erbbaupacht vergeben. Mit diesem Flächennutzungskonzept werden soziale und ökologische Wohnformen im Sinne einer „Übergangsgesellschaft“ für freiheitliche Lebensformen gefördert.

TEILRAUM 3

Kleingartenanlagen entlang von Haupterschließungsstraßen, wie der Autobahn 114 und der S-Bahn-Trasse zwischen Französisch Buchholz und Blankenfelde mit dem Bahnhof Blankenfelde und einem neuen möglichen Bahnhof an der Bucherstraße, warten mit geringer baulicher Dichte auf. Diese Flächen eignen sich für bauliche Entwicklungen, zumal die technische Infrastruktur und die Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln vorhanden sind. Hier handelt es sich um das Konzept einer geordneten Nachverdichtung entlang der Radialen. Vorhandene Landschaftselemente wie Alleen, Schwemmwiesen oder die Panke werden renaturiert. Der angestrebte Nutzungsmix aus Wohnen, Büroarbeitsplätzen, produzierendem Gewerbe und Logistikzentren erzeugt eine Vielfalt von Gebäudetypologien, die eine hohe bauliche Dichte erlaubt. Im Übergang zu den historischen Angerdörfern und den Verkehrstrassen nimmt der Entwurf die Einfamilienhaussiedlungen wieder auf und integriert einen geringen Teil der Kleingartensiedlungen in den Landschaftsraum.

Erläuterungen der Verfasser

Berlin wächst, und mit Berlin auch das Brandenburger Umland. Im letzten Jahrhundert wurden Brandenburg und Berlin durch die Entwicklungen entlang der Radialstraßen und S-Bahnen der Strahlen des Siedlungssterns immer enger miteinander verflochten. Die Großstadtregion Berlin-Brandenburg auch weiterhin entlang der Infrastrukturlinien zu entwickeln und das Leitbild des Siedlungssterns zu konsolidieren ist sinnvoll. Es sind allerdings ein Perspektivwechsel und eine zukunftsfähige ökonomische und soziale Vision notwendig, deren Umsetzung auf einer Gleichgewicht schaffenden Stärkung des ländlichen Brandenburger Umlands gegenüber der Ausdehnungsdynamik aus dem Zentrum der Hauptstadt heraus basiert. Die künftige Metropolenentwicklung sollte dazu anhand von drei Aktionsfeldern erfolgen: 1. Regeneration der Landschaft als ökologische Umwelt, soziales Milieu und ökonomischer Wirkungsbereich; 2. Ausformulierung der Schnittstelle zwischen Stadt und Land in einer ablesbaren Kontur des Siedlungssterns, als „Ökoton”, „Saumbiotop” be-ziehungsweise „Übergangsgesellschaft”; 3. Verflechtung der Radialen mit den grün-blauen Strukturen und Vernetzung der Siedungsstrahlen mit umlaufenden orbitalen Straßen, um so den Stern zum Netz zu entwickeln.

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Phase 2 Preisträger Wettbewerb

ZUSAMMENWACHSEN – LANDSCHAF(F)TSTADT

1. Preis

Verfasser

Bernd Albers / Silvia Malcovati / Günther Vogt
Standort: Berlin / Potsdam / Zürich
www.berndalbers.com / www.silviamalcovati.com / www.vogt-la.com / www.arup.com/offices/germany/berlin
Team: M.A. Dan Dahari (Projektleitung), Mitarbeiter: B.A. Iveel Bold, Dipl.-Ing. Maren Brakebusch, Bess Laaring, Dr. Gereon Uerz, Dipl.-Ing. M.Arch Rudi Scheuermann, Ibrahem Alsalamh
Landschaftsarchitektur: Vogt Landschaft GmbH
Fachplanung weiterer Disziplinen: Arup Deutschland GmbH

TEILRAUM 1: TEMPELHOF – SÜDKREUZ

Der Bereich zwischen Südkreuz und Tempelhofer Feld entlang der S-Bahn-Trasse besteht derzeit aus aufgelassenen Gewerbestandorten, Bahnanlagen, Kleingärten, Randflächen des ehemaligen Flughafens und Restflächen um den Bahnhof Südkreuz. Die Stadtautobahn A 10 und der S-Bahn-Ring dominieren die stadträumliche Situation. Der Entwurf zeigt, wie man diese Quartiere durch eine Neuinterpretation lokal überkommener städtebaulicher Muster weiterentwickeln kann und grenzt sich deutlich gegen die Gartenstadt Neu-Tempelhof („Fliegersiedlung“) ab. Entlang der Ringbahn wirkt die Bebauung als harte Stadtkante; zur Fliegersiedlung nimmt der Bebauungsvorschlag in Teilbereichen die Proportionen des bestehenden Wohnungsbaus auf. Die Bebauung entlang der Bahntrasse durchmischt Wohnen, Arbeiten und Versorgung. Die ergänzende Bebauung südlich des Flughafengebäudes nimmt, wie auch das Gebäude selbst, Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen auf. Eine Gruppe von drei Hochhäusern markiert das Zentrum und bildet gleichsam ein Tor nach Süden.

TEILRAUM 2: BERNAU

Nordwestlich und südöstlich des Bahnhofs Bernau bieten sich ausgedehnte Flächen für städtebauliche Planungen an. Zwei südwestlich in den Landschaftsraum hineinwirkende Konversionsflächen entlang der Bahnstrecke bestehen aus infrastrukturell erschlossenen Siedlungen, die mit unterschiedlichen Nutzungen eine neue Phase der Stadtentwicklung initiieren sollen. Die Nähe des Autobahndreiecks von A 10 und A 11 sowie der Vorteil günstiger S-Bahn-, Regionalbahn- und Fernbahnanschlüsse legen die Stadterweiterung an diesem Ort nahe. Das Konzept sieht hier im Kontrast zu den bestehenden Quartieren eine sehr hohe Verdichtung vor. Im Bereich des Bahnhofs wurden Blockstrukturen entwickelt, die die Bahntrasse umschließen und sich nach Norden und Süden hin öffnen. Nach Nordosten wird die Konversionsfläche mit einer Reihe von u-förmigen Gebäuden gesäumt, die eine großräumige Ergänzung zum Panke-Park ausbilden. Mit den ergänzenden Funktionen im südwestlich gelegenen Areal sollen Tourismus und Freizeit verstärkt werden.

TEILRAUM 3: SCHWEDT AN DER ODER

Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte ehemalige Residenzstadt Schwedt an der Oder liegt am nordöstlichen Rand der Landesentwicklungsplanung. Von einem Bahnanschluss an die bestehende Verbindung Berlin-Stettin würde die Stadt Schwedt stark profitieren. Das Entwurfskonzept sieht vor, diese Anbindung herzustellen und das Bahnhofsareal von Schwedt städtebaulich mit neuen zentralen Funktionen zu fassen. Eine Bebauung der Lücken und Restflächen in der Stadt im Sinne der kritischen Rekonstruktion ermöglicht Konstellationen zur Wiedererlebbarkeit des historischen Stadtgrundrisses. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die Landschaft des unteren Odertals mit ihren Naturschutzgebieten und dem Nationalpark. Das Heranführen der städtischen Bebauung an die Flusslandschaft würde nicht nur das Areal um die Uckermärkischen Bühnen, den Standort des 1962 gesprengten Residenzschlosses, stärken, sondern eine Aufwertung der gesamten Stadt bedeuten.

Erläuterungen der Verfasser

|| ZUSAMMENWACHSEN – LANDSCHAF(F)TSTADT || Berlin und Brandenburg wachsen zusammen
Ein zukünftiges Gesamtkonzept für die Metropolenregion Berlin-Brandenburg setzt nicht nur gemeinsame politische Prozesse voraus, sondern vor allem eine gesamtheitliche städtebaulich-landschaftsplanerische Idee. Diese Idee basiert auf der Geschichte und auf den existierenden Potenzialen und Charakteristika der Berlin-Brandenburgischen Stadt- und Kulturlandschaft. Berlin-Brandenburger Städte wachsen nach innen. In Berlin gibt es große Potenziale für das Innenwachstum, für Verdichtung und räumliche Optimierung, von Baulücken über Brachen bis zur Transformation der Infrastrukturen. Zugleich muss der heute grüne Charakter der Stadt bewahrt bleiben. Dieser verkörpert ein einmaliges Erbe der Stadtentwicklung und wird zukünftig verstärkt für den klimatischen Ausgleich verantwortlich sein. Die Brandenburger Städte besitzen ebenso erhebliches Potenzial zum Wachstum innerhalb ihrer Grenzen. Dieses Innenwachstum kann die speziellen Charaktere der Brandenburger Stadttypen bewahren und verstärken. Zukünftige Mobilität wird durch Schienenverkehr geschaffen. Vor dem Hintergrund der Klima- und Energiewende stellt der Ausbau des Straßen- und Autobahnnetzes keine befriedigende Lösung dar. Dagegen eröffnen die Schienenverkehre eine nachhaltigere Perspektive, die durch die digitale Wende vorangetrieben wird. Konsequent wird sich das zukünftige Stadtwachstum an den alten und neuen Bahnlinien orientieren.

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Ausstellung Raum 9

Ach, die liebe Verwandtschaft

Stadt und Land in Brandenburg

MUTTERSTADT BERLINS: BRANDENBURG AN DER HAVEL
Ehemalige „Chur- und Hauptstadt“ Brandenburg
an der Havel, 2017. Die Luftaufnahme lässt gut die Dreiteilung in Alt- und Neustadt sowie Dominsel, aber auch den Wasserreichtum der bedeutendsten mittelalterlichen Stadt im Großraum Berlin und Brandenburg erkennen.
GeoBasis-DE / LGB, dl-de / by-2-0

Die Metropole war und ist mehr als Berlin! Bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg begründete der Große Kurfürst die Ausdehnung der neuen Residenz in die Mark Brandenburg. Den Schlössern in Oranienburg und Potsdam folgte bald Charlottenburg. Vor allem aber bauten die preußischen Könige Potsdam aus – eine einzigartige Schlösser- und Parklandschaft im Südwesten Berlins. Während Potsdam historisch als Tochterstadt Berlins gelten darf, bleibt die Mutterstadt Berlins weithin vergessen: die „Chur- und Hauptstadt“ Brandenburg an der Havel, die bis ins 15. Jahrhundert bedeutendste Stadt der Region. Doch die Region hat noch weitere einzigartige Städte zu bieten. Das nähere wie weitere Umfeld Berlins ist voll von aufstrebenden Orten mit historischen Wurzeln, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. All diese Städte und Gemeinden Brandenburgs sind längst Teil der Metropole geworden, ihre Gestaltung prägt unsere gemeinsame Zukunft.

Der Wirtschafts- und Verkehrsbezirk Berlin geht über die politischen Stadtgrenzen weit hinaus. Das Groß-Berlin von heute reicht bis zur Linie Nauen – Oranienburg – Bernau – Strausberg – Fürstenwalde – Königswusterhausen – Zossen – Seddin – Werder – Nauen. Seine Fläche kann auf 250 000 ha, seine Einwohnerschaft auf rund 4 ¾ Millionen geschätzt werden.

Berlin ist nicht nur Wohnort für zahlreiche Arbeiter der Randindustrie, sondern umgekehrt auch Dienst- und Arbeitsort für eine große Zahl außerhalb Berlins wohnender Personen. Als solche Wohnsiedlungen Berliner Arbeitnehmer können Potsdam, Borgsdorf, Birkenwerder, Königswusterhausen u. a. gelten. Berlin und die Provinz Brandenburg sind völkisch und wirtschaftlich aufs engste miteinander verbunden.

Ein bedeutsames Verfassungsproblem Berlins ist, eine Verbindung zwischen der Berliner Stadtverwaltung und der Brandenburgischen Provinzialverwaltung zu schaffen. Die politischen Grenzen der Reichshauptstadt stimmen mit den tatsächlichen nicht überein. Die Stadt Berlin und die Provinz Brandenburg greifen wirtschaftlich und verkehrlich ineinander.

Die Berliner Stadtverwaltung und die Brandenburgische Provinzialverwaltung dürfen nicht nebeneinander-, sondern müssen zusammenarbeiten. Ein Zusammengehen liegt im wohlverstandenen Interesse beider Teile. […] Eine passende Form für die Zusammenarbeit ließe sich bei gutem Willen finden.

Gustav Böß, Oberbürgermeister 1919–1929
Berlin von heute.
Stadtverwaltung und Wirtschaft.
Berlin 1929

Mutterstadt Berlins:
Brandenburg an der Havel

Brandenburg an der Havel ist nicht irgendeine Stadt westlich von Berlin. Sie ist die älteste Stadt der ehemaligen Mark Brandenburg, die Hauptstadt der Mark bis ins späte Mittelalter hinein. Sie ist die Mutterstadt Berlins und die Großmutterstadt der Residenz Potsdam. Rechtlich handelte es sich um drei zu unterscheidende Siedlungsbereiche: die Altstadt, die Neustadt und die Dominsel. Drei großartige Kirchen und andere mittelalterliche Großbauten zeugen von der Bedeutung dieser Stadt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde ­Brandenburg zur Industriestadt. Während der Weimarer Republik war Brandenburg ein Zentrum des Neuen Bauens. Die zur Zeit der deutschen Vereinigung stark verfallene Altstadt ist inzwischen durch eine erfolgreiche Stadterneuerung wieder zu einem Schmuckstück geworden. Heute ist ­Brandenburg an der Havel eine Perle im Städtekranz, dem zweiten Ring der Metropole.

Das Wohlfahrtsforum, errichtet nach Plänen von Karl Erbs und Willi Ludewig 1929 / 30. Realisiert wurden ein Verwaltungs- und Behandlungshaus der Krankenkasse, eine Turnhalle und eine Schwimmhalle. Eine Schule und Wohnungen konnten nicht mehr verwirklicht werden. Das Wohlfahrtsforum war ein Fanal des kommunalwirtschaftlichen Städtebaus und ein Höhepunkt des Neuen Bauens.
Foto Heiko Hesse, Brandenburg an der Havel

Tochterstadt Berlins:
Potsdam

Potsdam gilt als Gesamtkunstwerk, als Paradies, als Arkadien des Nordens. Es ist aber auch ein Werk der Hohenzollern, eine Residenz- und Garnisonstadt, eine multikulturelle Stadt. Eine junge Stadt, die erst im 17. Jahrhundert Bedeutung erhielt. Kaum eine andere deutsche Stadt wurde so stark durch herrschaftliche Eingriffe geprägt wie Potsdam. Die Funktion als Residenz der Hohenzollern verlor die Stadt 1918, die Funktion als Garnisonstadt 1994. Was zeichnet die Landeshauptstadt heute aus? Sie bietet ein städtebauliches Ensemble unterschiedlicher Schichten von internationaler Bedeutung, ein Weltkulturerbe aus Schlössern und Gärten, aber auch eine Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsstadt, die die Metropole außerordentlich bereichert.

Alter Markt, Potsdam, o. J. Links die mittlerweile abgerissene Fachhochschule. An ihrer Stelle entstehen kleinteilige Gebäude nach historischem Vorbild.
IRS (Erkner) / Wiss. Samml., D1_12_2-003

Wissensstadt Potsdam

Wissenschaftspark Albert Einstein auf dem Telegrafenberg, 2010. Ab 1874 wurde der Park mit zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen angelegt und beherbergt heute international angesehene Institute zur Geo- und Klimaforschung. Als Wahrzeichen bekannt ist der Einsteinturm des Architekten Erich Mendelsohn.
Foto Philipp Meuser

Schon im späten 19. Jahrhundert wurde auf dem Telegrafenberg Potsdams Ruf als Wissenschaftsstandort begründet. Nach der Wiedervereinigung wurde der Standort weiter ausgebaut – etwa in Golm und in Babelsberg.

Kulturstadt Potsdam

Das Kulturquartier am Tiefen See, 2011. Auf dem Areal sind das Hans-Otto-Theater, der Sitz der Bundesstiftung Baukultur und andere kulturelle Einrichtungen beheimatet.
Foto Philipp Meuser

Kunst, Theater, Film, Musik: Potsdam hat sich verstärkt seit der Wiedervereinigung zu einem Kulturstandort entwickelt – mit Einrichtungen von nationaler und internationaler Bedeutung. Und einem besonderen Standort: dem Kulturquartier.

Wohnstadt Potsdam

Wohnanlage der 1935 gegründeten Genossenschaft WBG am Schillerplatz, Gemälde von Hans Klohß, 1930er Jahre. Die Stadt förderte den Bau der 400 Kleinwohnungen mit der Übernahme der Baukosten und einem günstigen Grundstückspreis.
Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte

Potsdam war immer eine besondere Wohnadresse: Neben Einwohnern prägten Soldaten die Garnisonstadt. Potsdam war von Anfang an multikulturell geprägt – mit Quartieren für Menschen unterschiedlicher Herkunft. Nach der Wiedervereinigung wurde das Wohnungsangebot erheblich ausdifferenziert.

Kleine Schwester im Umland:
Hohen Neuendorf

Die Stadt Hohen Neuendorf erstreckt sich zwischen Birkenwerder und Frohnau im Landkreis Oberhavel nördlich von Berlin. Der 1349 erstmals erwähnte Ort geriet Ende des 19. Jahrhunderts nach dem Bau der Nordbahn in den Sog der wachsenden Großstadt. In den ersten Jahren der NS-Zeit wurde der Ort erheblich ausgebaut. In der DDR-Zeit erhielt er einen zusätzlichen Bahnhof am äußeren Eisenbahnring. Nach der Wiedervereinigung wuchs die Einwohnerzahl wieder erheblich. Bemerkenswert ist das besondere Zentrum an der Kreuzung der Ausfallstraße nach Oranienburg mit der Straße zum S-Bahnhof, eine Ansammlung von speziellen Bauwerken: Rathaus, Pagode, Hotel, Shoppingcenter.

Shoppingcenter im Zentrum Hohen Neuendorfs, eröffnet 2006, Foto 2019. Das Center liegt unmittelbar südlich des Rathausareals.
Foto Harald Bodenschatz
Chinesisches Restaurant „Himmelspagode“, eröffnet 2002, Foto 2019. Der dem Himmelstempel in Peking nachempfundene Bau ist ein überregionaler Besuchermagnet. Er erhebt sich nördlich des Rathausareals.
Foto Harald Bodenschatz
Neues Rathausensemble, Baustelle im September 2019. Mittig ist das Bestandsgebäude zu sehen, links das neue Rathaus. Der Ergänzungsbau des Rathauses und die Freiflächen werden 2020 fertiggestellt.
Foto Harald Bodenschatz

Neues Leben für Militärstandorte

Kein anderes Gebiet in Deutschland war im 20. Jahrhundert so stark mit Militärflächen gepflastert wie der Raum Berlin-Brandenburg. Die Konzentration des Militärs begann schon in preußischer Zeit, erreichte in der Kaiserzeit einen ersten Höhepunkt, wurde in der NS-Zeit noch einmal zugespitzt und dann in der DDR-Zeit als Großstandort der sowjetischen Armee weiter genutzt. Etwa 100.000 Hektar Fläche sollen es gewesen sein, die 1994 beim Abzug der russischen Truppen hinterlassen wurden. Potsdam, Wünsdorf, Kummersdorf, Döberitz, Bernau, Beelitz und viele andere Orte in Brandenburg waren riesige Militärstützpunkte. Inzwischen ist ein Großteil davon umgenutzt worden – zu Erholungsgebieten, Technologiezentren, sozialen Infrastrukturen und zunehmend auch zu Wohnzwecken. Von Kasernen zu Wohnstätten!

Leer stehendes Kasernengebäude in Krampnitz, 2017. Die denkmalgeschützten Mannschaftsgebäude aus den 1930er Jahren sollen zu Wohnanlagen umgebaut werden.
Foto André Winternitz, rottenplace
Ruine des ehemaligen Heeresbekleidungsamtes Bernau, 2019. Das Ensemble wurde von 1939 bis 1942 erbaut und von 1941 bis 1945 von der Wehrmacht für die Herstellung und Lagerung von Uniformen genutzt. Den sowjetischen Streitkräften diente die Anlage als Versorgungsdepot. Hier das Hauptlager an der Schwanebecker Chaussee.
Foto Harald Bodenschatz
Ehemaliges Heeresbekleidungsamt Bernau, 2019. Die brachliegende Fläche befindet sich direkt neben der Autobahn A 11.
Foto Harald Bodenschatz
Pankebogen, Schönfelder Weg, September 2019, zwischen Baustelle und Fertigstellung. Im Vordergrund ein kleiner Teil des noch zu gestaltenden Pankeparks, der sich entlang der Panke zwischen der Altstadt und dem neuen Wohnquartier erstrecken soll.
Foto Harald Bodenschatz

Ländliche Reize

Brandenburg ist reich an historischen Städten und Militärarealen, umfasst aber – auch im Umland von Berlin – einprägsame ländliche Räume. Wie anderswo auch, aber doch lokal geprägt mit Dörfern, Verkehrsinfrastrukturen, Landwirtschaftsflächen, Erholungsgebieten, Gewerbegebieten, Wasserreservoirs und Windrädern. Stadt und Land sind kein Gegensatz, ebenso wenig wie Brandenburg und Berlin.

Wasserlandschaft, nicht nur zur Erholung

Die Bedeutung des Umlands von Metropolen für den Wasserhaushalt wurde lange Zeit unterschätzt. Mit dem Klimawandel, längeren Trockenperioden und Starkregengüssen
rückt die große Bedeutung des Wassers, auch die Sicherung des Trinkwassers, endlich in das Aufmerksamkeitsspektrum der mitteleuropäischen Öffentlichkeit.

Luftaufnahme der Klärwerke Münchehofe, 2019. Die Anlage ist ein Pilotprojekt der Berliner Wasserbetriebe für eine energieeffiziente Wasseraufbereitung. Sie dient auch zur Erprobung neuer Verfahren.
Foto Robert Grahn, Euroluftbild, Nr. 427645

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Ausstellung

Wir sind nicht allein – Blick nach Europa

Moskau, Wien, Paris, London

Um 1900 begannen in Europa die Versuche, die rasch expandierenden Großstädte politisch, administrativ und planerisch neu zu ordnen. Das war nicht nur in Berlin ein sehr schwieriger Prozess, der durch widersprüchliche Interessen behindert wurde und daher nur selten erfolgreich war.

Es sind vor allem vier Perioden, in denen dieses Thema Konjunktur hatte: (1.) vor dem Ersten Weltkrieg, als die Großstadtregionen erstmals in der Geschichte in größerem Um- fang Realität wurden, (2.) in den 1930er Jahren und während des Krieges, in denen Demokratien unter schwierigen Bedingungen großräumige Konzepte in Angriff nahmen und die hegemonialen Diktaturen auf ein gewaltiges Wachstum ihrer Hauptstädte setzten, (3.) in den 1960er Jahren, als die Suburbanisierung auf Hochtouren lief, und (4.) heute, in einer Zeit, in der sich die großen, wachsenden Städte um eine nachhaltige Zukunft kümmern müssen. Von besonderem Interesse sind hier vier europäische Hauptstädte, die sich im Laufe von mehr als 100 Jahren um die poli- tische Bildung und städtebauliche Gestaltung von Großstadtregionen bemüht haben und heute wei- ter darum ringen.

Vorgestellt werden im Überblick Geschichte, Programm und Praxis des Städtebaus in den Großstadträumen von Moskau, Wien, Paris und London. Während Groß-Wien und Bol’šaja Moskva wie Groß-Berlin Einheitsgemeinden sind, ist Grand Paris bis heute ein nicht realisiertes administratives Projekt geblieben, wohingegen Greater London keine Einheitsgemeinde meint, sondern einen regionalen Zusammenschluss von 32 boroughs (Stadtbezirke) und der City of London, mit beschränkten Kompetenzen unter Federführung der Greater London Authority.

Die Schemata der Stadtanlagen von Berlin, Moskau, Paris und London entsprechen Darstellungen, die vermutlich von Aleksandr M. Rodčenko und Varvara F. Stepanova gestaltet und 1938 in dem Prachtband Moskva rekonstruiruetsja. Al’bom diagramm, toposchem i fotografij po rekonstrukcii gor in Moskau publiziert wurden. Sie gehen – ohne dass dies in der sowjetischen Publikation erwähnt wurde – auf Skizzen von Eugène Hénard zurück, die dieser bereits in seinen Schriften Études sur les transformations de Paris (1903 – 1906) veröffentlicht hatte. Sie wurden dann auch 1909 in dem Buch von Daniel H. Burnham und Edward H. Bennet zum Plan of Chicago sowie 1911 in Werner Hegemanns Band
Der Städtebau nach den Ergebnissen der allgemeinen Städtebau-Ausstellung in Berlin nebst einem Anhang: Die Internationale Städtebau-Ausstellung in Düsseldorf 1910 – 1912 gezeigt – ein Zeichen der hohen Wertschätzung dieser Skizzen, aber auch der internationalen Vernetzung der Disziplin Städtebau.

Das Schema von Wien wurde in Anlehnung an die
historischen Skizzen von Lilja Schick neu gestaltet.

Bol’šaja Moskva (Gross-Moskau)
Hauptstadtregion zwischen Europa und Eurasien

Moskau ist eine Stadt mit breiten Prospekten und langen Magistralen, eine Stadt, in der man nur selten eine historische Struktur ausmachen kann. Auf dem Stadtplan sieht es dagegen anders aus: Fünf Ringe sind um das Zentrum, den Kreml, angelegt und erinnern an eine horizontal zerschnittene Matrjoschka. Der innerste Ring zeichnet die Umfahrung des Kremls im Uhrzeigersinn nach: durch das Altstadtviertel Kitajgorod, vorbei am Stadtpark Zarjad’e und entlang der hohen Kremlmauern am Fluss. Der Boulevard-Ring ist ein nach Süden geöffneter Bogen, der von Flussufer zu Flussufer führt und in seiner Mitte von einer Allee durchzogen ist. Die offiziell als Dritter Ring bezeichnete Autobahn wurde erst in den 2000er Jahren fertiggestellt und verläuft etwa parallel zu dem 54 Kilometer langen Moskauer Zentralring, der als Kleiner Moskauer Eisenbahnring bis 1960 die Stadtgrenze definierte. Ganz außen liegt die Umlaufbahn der MKAD (­Moskovskaja kol’cevaja avtomobil’naja doroga ), ein über 100 Kilometer langer Autobahnring aus den frühen 1960er Jahren. Hier wird schon sichtbar, wie dicht Moskau bebaut ist. Den Horizont zieren Wohntürme und monumentale Plattenbauquartiere. Massiver Kern dieser überdimensionierten Matrjoschka ist der Kreml. Er offenbart Russlands Licht- und Schattenseiten: hier das historische Gemäuer, von dem aus Josef Stalin, Nikita Chruschtschow und ­Leonid Breschnew, von manchen bis heute als Helden verehrt, das sowjetische Volk sieben Jahrzehnte lang führten; dort die Heerscharen von Touristen, die mit ihren Kameras einen Hauch des prächtigen alten wie neuen Russlands einfangen möchten.

Generalplan für eine Millionenmetropole:
Moskau 1935 bis 1941

Im zweiten Fünfjahresplan veränderte Josef Stalin ab 1933 die städtebaulichen und wohnungspolitischen Prioritäten grundsätzlich: Nicht mehr der Bau neuer Industriestädte, sondern der Ausbau von Moskau als Hauptstadt der Sowjetunion, ja der kommunistischen Weltbewegung rückte ins Zentrum. Der 1935 beschlossene Generalplan für Moskau spiegelt diese Entwicklung wider. Er war auf ein gewaltiges städtisches Wachstum orientiert. Die Fläche des Stadtgebiets wuchs von 28.500 auf 60.000 Hektar. Der wichtigste Entwicklungsraum für Wohnungsbau wurde im Südwesten ausgewiesen. Die neue Riesenstadt sollte von einem Grüngürtel aus Waldparks umgeben werden. Ein Höhepunkt des Stadtumbaus war 1935 die Eröffnung der ersten Metrolinie.

Generalplan 1935: Die Gebietserweiterung Groß-Moskaus war ein Kernelement des Plans. Das Stadtgebiet war mit Beschluss von 1931 von 28.500 auf 60.000 Hektar erweitert worden, auch um dem prognostizierten Bevölkerungswachstum von 3,5 auf 5 Millionen Einwohner binnen zehn Jahren gerecht zu werden.
Arxitektura SSSR 10–11 / 1935

Wohnungsbau und Olympia als Motoren der Stadtentwicklung:
Moskau 1955 bis 1985

Typenprojekte und industrielle Vorfertigung

Olympia als städtebaulicher Impuls: In den späten 1970er Jahren entstanden überall in Moskau Großprojekte im Bereich Sport- und Hotelbauten sowie prestigeträchtige Kultur bauten für die touristische Infrastruktur. Hier ist das Modell von 1980 des nördlich des Zentrums gelegenen Sportkomplexes „Olimpijskij“ nach den Plänen von Mikhail V. Posokhin zu sehen. Dass viele westliche Staaten aufgrund des militärischen Eingreifens der UdSSR in Afghanistan die Teilnahme boykottierten, hatte auf die Bauprojekte und deren nach haltige Wirkung auf die weitere Stadtentwicklung keinen Einfluss.
Schusev State Museum for Architecture, Moskau

Nach dem Tod Josef Stalins 1953 setzte eine Migrationswelle ein, die die Wohnungsknappheit in Moskau verschärfte. Im Kampf um Stalins Nachfolge behauptete sich Nikita Chruschtschow, der den Neubau von Wohnungen als zentrales Politikfeld erkannte. Für Moskau bedeutete dies eine großflächige Expansion der Mikrorajons bis an den äußeren Autobahnring MKAD.

Neben den Ikonen der Sowjetmoderne galten die Bauprogramme unter Nikita Chruschtschow und Leonid Breschnew den Massen. Was später in der gesamten UdSSR umgesetzt werden sollte, wurde in Moskau zunächst getestet. Unter Chruschtschow experimentierten Architekten und Ingenieure mit industrieller Vorfertigung, unter Breschnew weiteten sich die Bauprogramme von überschaubaren Quartieren zu „Mikrorajons“ für 150.000 Bewohner aus, deren Größe einer eigenen Stadt entsprach. Was beide Perioden vereinte: Der Wohnungsbau war der eigentliche Motor der Stadtentwicklung. Einen besonderen Akzent vermochten in den späten 1970er Jahren die Vorbereitungen der Olympischen Spiele 1980 zu setzen. Für die Stadt Moskau bedeuteten die olympischen Großbauten einen Modernisierungsschub für zuvor vernachlässigte Quartiere und führten zu einer Verbesserung der Infrastruktur des Verkehrs und der Stadttechnik.

Groß-Wien 
Schiach und fad?
Jetzt schon zehn Mal: Lebenswerteste Stadt der Welt

Wien und Berlin, zwei alte Antipoden: Wien als altehrwürdige Hauptstadt des Heiligen Römischen Reichs – Berlin dagegen als rustikaler Emporkömmling. Durch die Reichsgründung unter preußischer Führung war der Bedeutungsverlust Wiens vorprogrammiert. Die Eingemeindung von Vorstädten 1892, die Donauregulierung und der Bau der Eisenbahn in die Länder der Doppelmonarchie schufen Voraussetzungen für eine rasante Industrialisierung. Die Konkurrentin an der Spree entwickelte sich aber wirtschaftlich schneller. Die Schaffung von Groß-Wien 1892 war jedoch ein Vorbild für Groß-Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in Wien der soziale Wohnungsbau, die kommunale Infrastruktur und die Nahversorgung auf demokratische und gemeinwirtschaftliche Grundlagen gestellt. Im austrofaschistischen Ständestaat verlor Wien 1934 seine Eigenständigkeit und wurde zur „bundesunmittelbaren Stadt“. Zwischen dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 entstanden monumentale Planungen für Wien nach dem Vorbild Berlins – auf dem Papier. Bereits 1938 wurde ein noch größeres „Groß-Wien“ geformt. Nach 1945 wurde Wien wie Berlin eine Viersektorenstadt unter Kontrolle der Alliierten, 1954 wurde Groß-Wien wieder verkleinert. Nach Abzug der Alliierten 1955 beschleunigte sich der autogerechte, suburbane Um- und Ausbau. Der Fall des Eisernen Vorhangs brachte wirtschaftliche Vorteile. Die neue Stadtregierung stärkt seit 2010 wieder die städtischen Institutionen. Besonders die kommunale Wohnungs- und Bodenpolitik bleibt ein viel diskutiertes Vorbild – auch für Berlin.

Das rote Wien (1919-1934)

Nach dem Ersten Weltkrieg erklärte sich Österreich zur Republik und verwies den Kaiser des Landes. Für alle Bereiche des täglichen Lebens entstanden genossenschaftliche und kommunale Institutionen. Wien wurde so in kürzester Zeit zum Labor austromarxistischer Reformen und Veränderungen. Der kommunale Wohnungsbau der Wohnbausteuerära in seinen monumentalen Blockstrukturen mit Schwimmbädern, Volksbildungseinrichtungen, Konsumgenossenschaften und der städtischen Infrastruktur ist Zeugnis dieser Ära. Das Experiment „Rotes Wien” fand mit dem Dollfuß-Putsch, dem gewaltsamen Machtantritt des klerikalen Ständestaats im Februar 1934, ein blutiges Ende.

Überblick über die Wohnhaus bauten der Gemeinde Wien, 1926.
Wien Museum, Nr. 49676/1/1

Das schwarze Wien (1934-1938)

Autobroschüre: Blick auf Wien von der Höhenstraße, 1936.
Hermann Kosel, Wien Museum, Nr. 58201/5/2

Die Stadtentwicklung im Austrofaschismus hatte folgende Schwerpunkte: Arbeitsbeschaffung durch Projekte wie die Höhenstraße und die Reichsbrücke, kleinteilige Siedlungen, Kirchen und ausschließlich private Stadterneuerung. Damals konnten etwa die RAVAG-Rundfunkzentrale und das Freihausviertel an der Operngasse realisiert werden, nicht aber die Projekte Führerschule im Fasangarten, der Zentralbahnhof mit Flughafen und das Dollfußdenkmal. Die Architektur kam im Gewand der klassischen Moderne daher, als rationalistischer Kontrapunkt zur burgenhaften Ästhetik der Superblocks des Roten Wien.

Grand Paris
Ein uneingelöstes Versprechen 

Am Beginn des 20. Jahrhunderts blickte Paris bereits auf eine lange Geschichte zurück. Seit dem Mittelalter war Frankreichs Hauptstadt immer wieder Gegenstand städtebaulicher Verschönerungsprojekte gewesen. Der große Stadtumbau zwischen 1853 und 1870 durch den Seine-Präfekten Georges-­Eugène Haussmann hatte die Stadt in eine dem Kapitalismus und der Moderne verpflichtete Metro­pole transformiert und sie zu einem Vorbild für ganz Europa gemacht. Doch all diese Pläne hatten auf das Gebiet innerhalb der Stadtmauer fokussiert. Übergreifende Planungen, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts für Städte wie Wien oder München entstanden waren und den Großraum der Stadt miteinbezogen, waren in Paris ausgeblieben. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts rückte Grand Paris auf die Tagesordnung. Die verschiedenen Pläne für die Stadtregion, die seitdem entstanden, zeugen von einem reichen und egozentrischen Paris, dem eine schlecht ausgestattete Banlieue gegenübersteht. Paris intramuros entwickelte sich anders als der umliegende Großraum, wobei der Staat beim Bau von Neustädten, Verkehrswegen und anderen Großinfrastrukturen die zentrale Rolle spielte. Und obwohl 1976 endlich die Region Île-de-France ins Leben gerufen wurde, erfolgt ihre Ausgestaltung seither mit wenig Ehrgeiz. Seit der Jahrtausendwende wird mit Wettbewerben und Bauprogrammen wie Le Grand Pari(s), Grand Paris Express und Reinventing Paris die Idee eines Grand Paris ausformuliert, wobei teils konkurrierende Verdichtungs- und Entwicklungsprogramme dringend koordiniert werden müssen.

Erste Ideen für die Erweiterung
einer eingeschlossenen Weltstadt

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Paris immer noch von dem 1840 errichteten Befestigungsgürtel umschlossen und von seinen Vororten abgetrennt. Die letzte administrative Erweiterung war 1860 erfolgt, als Kaiser Napoleon III. beschlossen hatte, die Vororte innerhalb der Befestigungsanlagen zu annektieren. Erste Ideen für die Erweiterung der eingeschlossenen Stadt entstanden erst in den Jahren ab 1910 mit der Unterstützung des Musée social, der Association française des cités-jardins und der Société française des urbanistes. 1911 richteten das Département Seine und die Stadt Paris eine Erweiterungskommission ein, die einen Bericht für die Entwicklung von Paris und seinen Vororten veröffentlichte. Im Zentrum stand zunächst die Grünfrage. Die möglichen Optionen lauteten: Pocketparks, Grüngürtel oder Parksystem nach US-amerikanischem Vorbild. 1919 folgte ein Ideenwettbewerb für die Regulierung und Erweiterung von Paris nach dem Vorbild des Wettbewerbs Groß-Berlin von 1910. Der Preisträger Léon Jaussely, der bereits 1904 als Sieger aus dem Wettbewerb für die Stadterweiterung von Barcelona hervorgegangen war und 1909 zusammen mit Charles Nicod einen viel beachteten Beitrag zum Wettbewerb Groß-Berlin eingereicht hatte, schlug ein duales Parksystem rund um Paris vor, ferner plante er zwei Industriezonen flussaufwärts und flussabwärts der Seine sowie Stadterweiterungen in Form von Gartenstädten und -vororten. Doch sein Vorschlag blieb zunächst ohne konkrete Folgen.

Erste Ideen zu Erweiterungsplänen
für Paris bis 1919

Vorentwurf eines Erweiterungsplans für Paris, Louis Bonnier und Marcel Poëte, 1913: Parksystem mit Parkwegen.
Préfecture de la Seine / Commission d’extension de Paris: Considérations techniques préliminaires (La circulation, les espaces libres). Paris 1913, Planche 7

Trente Glorieuses 1946-1975:
Große Pläne, große Infrastrukturen, große Siedlungen

Große Siedlungen

Bidonville algérien („algerischer Slum“) von Nanterre mit der dahinterliegenden, im Bau befindlichen Groß-Siedlung Provinces Françaises, ca. 1956.
Institut Paris Region

In den glorreichen 30 Jahren (Trente Glorieuses) zwischen 1946 und 1975 durchlebte die Region Paris einen institutionellen wie wirtschaftlichen Aufholprozess. 1961 entstand mit dem „Distrikt
der Region Paris“ eine Verwaltungsstruktur, die von einem durch Präsident Charles de Gaulle ernannten hohen Beamten, Paul Delouvrier, geleitet wurde. Es folgte die Gründung eines regionalen Planungsbüros, des Institut d’Aménagement et d’Urbanisme (IAU), heute Institut Paris Region (IPR). 1965 trat ein neuer Regionalentwicklungsplan in Kraft, der mit der radial-konzentrischen Urbanisierung brach und dafür die Metropolenentwicklung entlang der Täler der Seine und Marne forcierte. Der Plan sah den Ausbau eines regionalen Eisenbahnsystems (RER) und die Entwicklung des neuen
Großflughafens Roissy (Paris-Charles-de-Gaulle) vor. Um den erwarteten Bevölkerungszuwachs aufzunehmen, sollten fünf neue Trabantenstädte entstehen. Auch dieser Plan schenkte dem eigentlichen Stadtgebiet von Paris wenig Aufmerksamkeit,
zusätzlich verstärkte der Bau des ringförmig um Paris verlaufenden Boulevard Périphérique die materielle Grenze zwischen Paris und seiner Banlieue. Mit der Beseitigung von „unsanierten“ Wohnblöcken und dem Ausbau der unterirdischen RER-Bahnhöfe wie Les Halles oder Étoile erfuhr das Zentrum von Paris dennoch große Veränderungen. Insbesondere der urbanisme sur dalle, der eine vollständige Trennung zwischen unterirdischem Autoverkehr und oberirdischem Fußgängerverkehr vorsah und eine besonders erfolgreiche Spielart der autogerechten Stadt in Frankreich darstellte, konnte sich in zahlreichen innerstädtischen Projekten realisieren. Ein besonders prominentes Beispiel ist die Esplanade im Hochhausviertel La Défense.

Greater London
Städtebau zwischen Deregulierung und Regulierung

Greater London blickt auf eine bewegte, über 2.000-jährige Geschichte zurück und zählt heute rund 8,9 Millionen Bewohner. Die Hafenstadt an der Themse ist seit Jahrhunderten eine bedeutende Handels- und Dienstleistungsmetropole, ein wichtiger internationaler Finanzstandort und ein he­rausragendes Zentrum von Kultur und Kreativität, Innovation und Forschung. Seit den 1990er Jahren wächst die Stadt erneut dynamisch, bis 2041 wird eine Bevölkerungszunahme auf 10,8 Millionen Einwohner erwartet – auch wenn die aktuelle Entwicklung aufgrund des Brexit von Ungewissheit geprägt ist. Die städtebauliche Entwicklung Londons in den vergangenen 100 Jahren ist ein Spiegel politischer Strömungen auf nationaler und auf lokaler Ebene. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat ein sehr aktiver Wohlfahrtsstaat in großem Umfang sozialen Wohnungsbau realisiert, der weite Teile Londons städtebaulich prägt. Unter Premierministerin ­Margaret Thatcher (1979 – 1990) wurde eine beispiellose Deregulierungspolitik vorangetrieben, die in der Abschaffung der Londoner Stadtregierung Greater London Council und einem Planungsvakuum gipfelte. Unter Tony Blair (1997 – 2007) wurde die Stadtregierung Greater London Authority im Jahr 1998 deutlich kleiner und moderner neu gegründet. Zum Millennium erlebte London eine städtebauliche Renaissance, zu den Olympischen Sommerspielen 2012 blickte die Welt auf den umgebauten Osten der Stadt. Seitdem arbeitet London an der Transformation zu einer nachhaltigen Metropole, stärkt den Radverkehr und versucht, auf dem Wohnungsmarkt für bezahlbare Mieten zu sorgen.

Visionen für die Stadtregion von morgen formulieren

Die Entwicklung der Stadtregion durch einen großen Plan, durch eine Vision zu steuern, die den gesamten Ballungsraum umfasst, ist ein Wunsch, der sich durch das letzte Jahrhundert der Planungsgeschichte zieht. Diese Pläne haben immer auch aktuelle gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen adressiert: die Trennung von Wohn- und Industriegebieten (County of London Plan, 1943) oder die Integration benachteiligter Bevölkerungsgruppen (London Plan). Zuletzt setzten sich gesamtstädtische Konzepte wie die für die Stärkung Londoner High Streets mit der Planung der äußeren Stadt auseinander – mit Gebieten, in denen eine geringere Bevölkerungsdichte, weniger Nutzungsmischung oder weite Wege zu Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs besondere planerische Ideen erfordern.

County of London Plan von Patrick Abercrombie, 1943. Vorgeschlagen wird, die Stadt als Ansammlung verschiedener Quartierstypen mit eigenen Merkmalen zu sehen, etwa von wichtigen Einkaufsstraßen, zentralen oder suburbanen Quartieren, Gebieten mit brach gefallenen Grundstücken etc.
Antiqua Print Gallery / Alamy Stock Photo, ID FDNFWD

Den Londoner Osten transformieren

Entlang der Flussläufe von Lea und Themse von Enfeld’s Meridian Water bis nach Beckton könnte in der City East ein dichtes, umfangreiches Stadtquartier entstehen. Viele Herausforderungen bezüglich der Infrastrukturen sind hier noch zu bewältigen– insbesondere in Bezug auf attraktive, fußgängerfreundliche öffentliche Räume.
5th Studio

Der Londoner Osten entlang der Themse war über Jahrhunderte durch Hafengebiete, Industrieareale und Arbeiterwohnquartiere geprägt. Nach dem Niedergang dieser Nutzungen wurde ab den 1980er Jahren die Transformation des Londoner Ostens zu einem zentralen Thema der Stadtentwicklung. Zunächst gab es – wie beim Projekt Canary Wharf – große Rückschläge aufgrund einer mangelnden Anbindung, hoher Kosten der Dekontamination und
zu geringer Nachfrage. Wirklichen Auftrieb erhielt die Entwicklung erst im Jahr 2005, als die Stadt den Zuschlag erhielt, die Olympischen Sommerspiele 2012 auszurichten. Mit dieser Entscheidung wurde nicht nur der Bau des Olympischen Parks im Lower Lea Valley als gigantisches Großprojekt angestoßen, sondern auch umfangreichen Projekten zur Erneuerung der angrenzenden Quartiere der Weg geebnet.